Kleine Zeitung Steiermark

Taumelndes Britannien

Mays Regierung gleicht einem Tollhaus. Zu Recht verliert Europa die Geduld mit der unfähigen Premiermin­isterin. Nur was wäre für die EU mit einem wilden Brexit gewonnen?

- Stefan Winkler

Es war nicht die Woche der Pragmatike­r dies- und jenseits des Ärmelkanal­s. Dabei hätte der informelle EU-GIPfel in Salzburg eigentlich alle Voraussetz­ungen dafür geboten. Heiter wie ein Divertimen­to von Mozart war die Atmosphäre an der Salzach. Man redet wieder zivilisier­t miteinande­r in Europa, sogar über das hochtoxisc­he Reizthema Migration.

Wer jedoch gehofft hatte, beim gemeinsame­n Lustwandel­n im Mirabellga­rten würde der gruppenthe­rapeutisch­e Funke auch auf die festgefahr­enen Brexit-verhandlun­gen überspring­en, der wurde eines Besseren belehrt. Gedemütigt und mit leeren Händen kehrte Theresa May an die Themse zurück.

Das hat die britische Premiermin­isterin in erster Linie sich selber zuzuschrei­ben. Sie reiste im Irrglauben nach Salzburg, die europäisch­ennochpart­ner würden schon klein beigeben, wenn sie sie nur forsch genug vor die Alternativ­e „take it or leave it – entweder mein Deal oder ein harter Brexit“– stellte. Aber um die Union zu erpressen, fehlt May die wichtigste Prämisse. Wer diese Karte zückt, sollte sich in der komfortabl­en Positi- on des Stärkeren befinden. Sonst riskiert er, sich lächerlich zu machen. Genau das ist May widerfahre­n.

Dass Eu-ratspräsid­ent Tusk der geschlagen­en Britin ein hämisches Instragram­post über das „Rosinenpic­ken“hinterhers­chickte, warwahrlic­h keinruhmes­blatt und zeugt von mangelndem diplomatis­chem Gespür. Man drückt Gedemütigt­e nicht noch tiefer in den Sand.

Aber der Verdruss der Europäer ist schon verständli­ch. Erst ließ May nach dem Brexit-votum zwei Jahre untätig verstreich­en. Dann präsentier­te sie vor dem Sommer eine völlig unausgegor­ene Vision zu den künftigen Wirtschaft­sbeziehung­en, die darauf hinauslief­e, dass Großbritan­nien vollen Zugang zu den europäisch­en Märkten hätte, ohne freilich die Zeche dafür berappen zu müssen.

Dass die Union eine solche Aushöhlung ihrer Mitglied- schaft nicht dulden kann, schon allein um für andere austrittsw­illige Länder keinen Präzedenzf­all zu schaffen, leuchtet ein. Entweder ist man Mitglied im Klub. Oder man ist draußen. Beides zugleich geht nicht.

Dazu kommt, dass die Europäer ein Recht darauf haben, schön langsam zu wissen, woran sie in London eigentlich sind. Ob sie sich darauf verlassen können, dass irgendeine Kompromiss­lösung im britischen Parlament überhaupt hält. Aber weiß das überhaupt die Premiermin­isterin? it Neuwahlen könnte sie nun versuchen, die Brexit-dogmatiker in ihrer Tory-partei endgültig schachmatt zu setzen und sich bei den Briten ein Mandat für einen neuen Austrittsp­lan zu verschaffe­n. Der sollte dann freilich realistisc­her sein.

Aber auch die EU muss London entgegenko­mmen. Die Zeit drängt. Ein wilder, vertragslo­ser Brexit wäre nicht nur für die Insel eine Katastroph­e. Das Chaos, in das er sie stürzte, würde das Land weiter spalten und die radikalen Kräfte stärken. Das kann aber niemand wollen, der es gut mit Europa meint.

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