Taumelndes Britannien
Mays Regierung gleicht einem Tollhaus. Zu Recht verliert Europa die Geduld mit der unfähigen Premierministerin. Nur was wäre für die EU mit einem wilden Brexit gewonnen?
Es war nicht die Woche der Pragmatiker dies- und jenseits des Ärmelkanals. Dabei hätte der informelle EU-GIPfel in Salzburg eigentlich alle Voraussetzungen dafür geboten. Heiter wie ein Divertimento von Mozart war die Atmosphäre an der Salzach. Man redet wieder zivilisiert miteinander in Europa, sogar über das hochtoxische Reizthema Migration.
Wer jedoch gehofft hatte, beim gemeinsamen Lustwandeln im Mirabellgarten würde der gruppentherapeutische Funke auch auf die festgefahrenen Brexit-verhandlungen überspringen, der wurde eines Besseren belehrt. Gedemütigt und mit leeren Händen kehrte Theresa May an die Themse zurück.
Das hat die britische Premierministerin in erster Linie sich selber zuzuschreiben. Sie reiste im Irrglauben nach Salzburg, die europäischennochpartner würden schon klein beigeben, wenn sie sie nur forsch genug vor die Alternative „take it or leave it – entweder mein Deal oder ein harter Brexit“– stellte. Aber um die Union zu erpressen, fehlt May die wichtigste Prämisse. Wer diese Karte zückt, sollte sich in der komfortablen Positi- on des Stärkeren befinden. Sonst riskiert er, sich lächerlich zu machen. Genau das ist May widerfahren.
Dass Eu-ratspräsident Tusk der geschlagenen Britin ein hämisches Instragrampost über das „Rosinenpicken“hinterherschickte, warwahrlich keinruhmesblatt und zeugt von mangelndem diplomatischem Gespür. Man drückt Gedemütigte nicht noch tiefer in den Sand.
Aber der Verdruss der Europäer ist schon verständlich. Erst ließ May nach dem Brexit-votum zwei Jahre untätig verstreichen. Dann präsentierte sie vor dem Sommer eine völlig unausgegorene Vision zu den künftigen Wirtschaftsbeziehungen, die darauf hinausliefe, dass Großbritannien vollen Zugang zu den europäischen Märkten hätte, ohne freilich die Zeche dafür berappen zu müssen.
Dass die Union eine solche Aushöhlung ihrer Mitglied- schaft nicht dulden kann, schon allein um für andere austrittswillige Länder keinen Präzedenzfall zu schaffen, leuchtet ein. Entweder ist man Mitglied im Klub. Oder man ist draußen. Beides zugleich geht nicht.
Dazu kommt, dass die Europäer ein Recht darauf haben, schön langsam zu wissen, woran sie in London eigentlich sind. Ob sie sich darauf verlassen können, dass irgendeine Kompromisslösung im britischen Parlament überhaupt hält. Aber weiß das überhaupt die Premierministerin? it Neuwahlen könnte sie nun versuchen, die Brexit-dogmatiker in ihrer Tory-partei endgültig schachmatt zu setzen und sich bei den Briten ein Mandat für einen neuen Austrittsplan zu verschaffen. Der sollte dann freilich realistischer sein.
Aber auch die EU muss London entgegenkommen. Die Zeit drängt. Ein wilder, vertragsloser Brexit wäre nicht nur für die Insel eine Katastrophe. Das Chaos, in das er sie stürzte, würde das Land weiter spalten und die radikalen Kräfte stärken. Das kann aber niemand wollen, der es gut mit Europa meint.
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