„Die ideale Schulform wird es nie geben“
Leistungsbeurteilung, Sitzenbleiben, Politik und Pädagogik: Leser diskutieren.
„Da geht es um Politik, nicht um Pädagogik“, 2. 10.
Wieder gibt es eine politisch geführte Schuldiskussion. Wir haben in unseren Schulen ausgezeichnete Pädagogen, man soll sie endlich arbeiten lassen, egal, ob man nun sitzen bleiben darf oder kann, egal, ob es ein sogenanntes anderes „System“gibt. Kinder wollen sich irgendwo anhalten und können sicher mit Noten mehr anfangen.
Insgesamt empfehle ich: Finger weg von ideologisch gefärbter Pädagogik, Vertrauen in die engagierten Pädagogen, weg vomstarren Systemdenken, Anerkennung einer guten Idee (auch wenn eine solche von einem politisch Andersdenkenden ist), die Schulen arbeiten lassen und überlegen, ehe man etwas verurteilt. Verwissenschaftlichte Pädagogik hat noch kaum zu einer guten Lösung geführt.
Konsens unmöglich
Ich will und kann diese gefühlt hundertste Schulreform nicht bewerten. Ich durfte den für mich schönsten Beruf nebentätig an einer Berufsschule ausüben. Die erste, bereits hitzige Diskussion bei der Ausbildung zum Lehrer war jene um die Leistungsbeurteilung. Für ein und dieselbe Arbeit gaben wir Neulinge Benotungen von 1 bis 5! Die zeigt schon, dass ein allgemeiner Konsens über Schule und Ausbildung so gut wie unmöglich ist. Lehrerinnen, Erzieherinnen und Ausbilderinnen können sich aber auf daswichtigste einigen und konzentrie- ren: die Liebe zu den Kindern und Jugendlichen.
Die derzeitige Leistungsbeurteilung mit ihren vielfachen Abstufungen ist für mich gerade in der 2. Schulstufe ein Anlügen. Im späteren Leben gibt es kein Befriedigend oder Genügend, sondern nur mehr Sehr gut und Nicht genügend, Bestanden oder Nicht bestanden.
Vielleicht wäre es hilfreich, einfach Ruhe zu geben und die Lehrerschaft nicht dauernd mit neuen Regelungen und Bürokratiemüll zu überhäufen. Die ideale Schulform wird es nie geben. Es gibt ja auch nicht den idealenmenschen.
Harald Schallerl, Preßguts
Kreativität fördern
Sehr geehrter Herr Minister Faßmann, haben Sie vor der von Ihnen angekündigten Schulreform die Zufriedenheit mit der verbalen Beurteilung bei Lehrern und Schülern evaluieren lassen? Vielleicht wären Sie positiv überrascht worden. Ach ja, Kinder bringen keine Wählerstimmen! Genügt es nicht, erst ab Ende der dritten Schulstufe Notenbeurteilung mit verbalem Zusatz einzuführen?
Sie schüren mit Ihren Plänen Ängste bei den Kleinen, vor allem aus bildungsfernen Schichten, Kindern, die oft sich selbst überlassen sind. Wird ab dem zweiten Schuljahr das Wiederholen der Klassen eingeführt, steigt der familiäre Druck, Leistung bringen zu müssen, und für Konfliktpotenzial in der Familie ist reichlich gesorgt.
Statt mehr Beurteilung nach Noten könnte der Schwerpunkt der Schulreform an Volksschulen lauten: „Förderung der musischen und bildnerischen Kreativität.“Bekanntlich wirkt
sich kreatives Handeln positiv auf die kognitiven Fähigkeiten aus und macht Kinder im bestenwortsinn neugierig.
Eike Weberhofer, Graz