Die Lehren aus dem Fall Maurer
Sigrid Maurer hat sich gegen übergriffige und obszöne Nachrichten gewehrt, indem sie die Belästigung und deren vermeintlichen Verfasser im Netz öffentlich gemacht hat. Ist ihre Verurteilung wegen übler Nachrede ein Skandal? Und besteht Handlungsbedarf, umfrauen mehr rechtliche Handhabe gegen Belästiger zu geben?
Die Debatte im Netz tobt. Kommentatoren in Inund Ausland schwanken im Befund zwischen „Skandalurteil“und der Erkenntnis, dass in Österreich eine Gesetzeslücke zu schließen sei, damit frau sexuellen Belästigungen nicht wehrlos ausgeliefert ist.
Sigrid Maurer, grüne Ex-politikerin, hat sich gewehrt. Sie hat einen Biergeschäftsbesitzer, der sie vermeintlich in Direktnachrichten auf Facebook sexistisch belästigt hat, in einem öffentlichen Posting in sozialen Medien mit Namen an den Pranger gestellt. Dafür ist sie wegen übler Nachrede verurteilt worden. Maurer will das nicht hinnehmen und geht in Berufung. Eröffnet ist auch die Debatte, ob es eine Ausweitung des Strafrechts braucht, damit sich Frauen gegen solche Nachrichten stärker zurwehr setzen können. Fragen und Lehren aus dem Fall, wie sie Juristen sehen:
Warumist Sigrid Maurer verurteilt worden?
ANTWORT: Die Ex-politikerin hat den Mann „im Internet öffentlich an den Pranger gestellt“, erklärt dermedienanwalt Stefan Lausegger: „Account-inhaber von Facebook- oder Twitter-seiten sind aber für den Inhalt ihrer Postings verantwortlich wie Medieninhaber. Diese Postings können ein Millionenpublikum erreichen. Deshalb gilt eine erhöhte Sorgfaltspflicht, muss man sorgfältig recherchieren. Man muss sich vergewissern, ob diese Nachrichten wirklich von diesem Mann stammen.“Der Lokalbesitzer hat geklagt, bestritten, diese Nachrichten geschickt zu haben und betont, auch andere Personen hätten Zugang zu seinem Laptop und Account. „Maurer hat zu medialer Selbstjustiz gegriffen“, hält Lausegger das Urteil für vertretbar.
Warumhalten dennochsovieledasurteil für einen Skandal?
ANTWORT: Der Richter sagte in der Urteilsverkündung, dass der Kläger lüge und er Maurer glaube. Allerdings bestünden Zweifel, ob er selbst die Nachrichten geschrieben habe oder jemand anderen decke. Folglich sei derwahrheitsbeweis nicht erbracht worden. Maurer hätte eine Stellungnahme des Mannes einholen müssen, um die Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Ihre Anwältin, Mariawindhager, sieht darin „sicher kein Skandalurteil. Es ist eine Frage der Beweiswürdigung des Richters und die ist seine Sache.“
Aber: „Das Urteil hat mich überrascht. Ich denke, Maurer ging sehr sorgfältig vor. Sie hat vorher juristischen Rat eingeholt, leider von Anwälten, die keine Expertise inmedienrecht hatten. Sie war überzeugt, dass die Nachrichten von ihm verfasst waren. Dass sie laut Richter beim Lokalbesitzer eine Stellungnahme hätte einholen müssen, halte ich für problematisch. Das ist doch aussichtslos, wenn Frauen ihren Belästiger fragen müssen, ob er es war.“
Wird das Urteil in der Zweitinstanz halten?
ANTWORT: Mehrere Juristen halten es für möglich, dass das Oberlandesgericht es kippen könnte. Medienanwalt Michael Rami wies in der ZIB 2 auf Widersprüche in den Klägeraussagen hin und auf die Frage Glaubwürdigkeit – der Richter selbst habe ihn ja der Lüge bezichtigt. Dies könnte in der zweiten Instanz eine Rolle spielen. Lausegger meint, „man kann die Beweiswürdigung des Richters hinterfragen, aber das steht mir aus der Ferne nicht zu“.
Hätte Maurer die Belästigung auch ungestraft öffentlich machenkönnen?
ANTWORT: „Selbstverständlich“, sagtmedienrechtsexperte Stefan Lausegger: „Sie hätte nur schreiben müssen, dass sie diese Nachricht vom Account dieses Mannes bekommen hat, um einer Verurteilung wegen übler Nachrede zu entgehen. Dann wäre derwahrheitsbeweis vor Gericht gelungen und der Tatbestand der üblennachrede nicht erfüllt gewesen.“
Wie können sich Frauen gegen solche Belästigungen wehren?
ANTWORT: „Man kann vor dem Zivilgericht einen Unterlassungsanspruch stellen“, erklärt Maurers Anwältinwindhager. Das bedeutet aber das Risiko, aufprozess- undanwaltskosten sitzen zu bleiben.