Kleine Zeitung Steiermark

Risse im Gebälk der Berliner Koalition

- Häufig war

Bayern-wahl als „Warnschuss“für die Regierung, Grüne als neue Mitte: Im deutschen Parteiensy­stem bleibt kein Stein auf dem anderen.

In der deutschen Politik gibt es seit Jahrzehnte­n das Blumenstra­uß-ritual: Wenn eine Landtagswa­hl stattfinde­t, kommt der jeweilige Spitzenkan­didat am Tag darauf nach Berlin, um an den Gremiensit­zungen der Bundespart­ei teilzunehm­en. Neben Applaus und warmen Worten gab es immer auch einen Blumenstra­uß – egal, ob die Wahl gewonnen oder verloren wurde.

Montag im Willy-brandtHaus, der Spd-zentrale in Berlin. Die Parteivors­itzende Andrea Nahles tritt gemeinsame­n mit der bayerische­n Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen auf. Nahles sagt: „Als SPD stehen wir zusammen, auch nach so einer Niederlage.“Am Tag zuvor hat Kohnen bei der Landtagswa­hl in Bayern weniger als zehn Prozent der Stimmen geholt und damit den Anteil ihrer Partei halbiert. Es ist das schlechtes­te Ergebnis, das die SPD jemals bei einer Landtagswa­hl erzielte. Auch im Bund sieht es düster aus für die Sozialdemo­kraten, wie aktuelle Umfragen zeigen.

Auf den Blumenstra­uß für Kohnen verzichten sie ammon- tag demonstrat­iv. Die Lage ist zu ernst für die SPD. Amabend zuvor hatten sie bereits die Wahlparty in der Parteizent­rale abgeblasen. Die traditions­reiche SPD befindet sich im freien Fall. Nur widerwilli­g waren die Sozialdemo­kraten im März auf Bundeseben­e abermals eine Koalition mit CDU und CSU eingegange­n. Viele Kritiker von damals fühlen sich jetzt bestätigt und sehnen sich nach den Opposition­sbänken.

am Sonntag nach der Bayern-wahl vom „Erdbeben“die Rede. Das Sprachbild ist abgegriffe­n, aber zutreffend. Und es geht nicht nurumbayer­n und um die Sozialdemo­kraten: Die bayerische Quasi-staatspart­ei CSU muss gewaltige Verluste hinnehmen und steht ohne absoluteme­hrheit da. Die Grünen und die Freien Wähler triumphier­en im Freistaat, die rechtspopu­listische AFD schafft klar den Einzug in den Landtag, wo die SPD fortan nur noch fünftstärk­ste Kraft sein wird. Die FDP schafft es so eben über die Fünf-prozent-hürde.

Csu-ministerpr­äsident Markus Söder hat bereits deutlich gemacht, dass er eine Koalition mit den Freien Wählern anstrebt. Ein Bündnis mit den Grünen hätte eine noch größere Mehrheit, aber Söder sagt: „Inhaltlich sind die Grünen meilenweit entfernt.“Trotz des schlechten Abschneide­ns scheint der Ministerpr­äsident fest im Sattel zu sitzen. Der Parteivors­tand will, dass er auch die nächste Regierung anführt. Noch in dieser Woche soll es Gespräche mit anderen Parteien und erste Koalitions­verhandlun­gen geben. In der CSU sagen sie, man sei ja irgendwie doch mit einem blauen Auge davongekom­men. Die letzten Umfragen vor der Wahl hatten einen noch tieferen Absturz befürchten lassen.

Für die Regierungs­parteien in Berlin gibt es am Montag überhaupt nichts zu beschönige­n: Sie haben einen gewaltigen Anteil am schlechten Abschneide­n ihrer Leute in Bayern, dem zweitgrößt­en deutschen Bundesland. Der Dauerstrei­t um die Flüchtling­spolitik, die Posse um den Verfassung­sschutz-präsidente­n Hans-georg Maaßen, der unklare Kurs in Sachen Umwelt und Klima: Die Unzufriede­nheit mit der Leistung der Berliner Koalition ist überall enorm. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) räumt am Montag selbst ein, dass viele Bürger das Vertrauen in die Regierungs­arbeit verloren haben. Eine florierend­e Wirtschaft und Vollbeschä­ftigung reichten nicht.

Cdu-generalsek­retärin Annegret Kramp-karrenbaue­r nennt das Wahlergebn­is „einen klaren Warnschuss“für die Bundesregi­erung. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet wiederum sagt: „Das Theater, das Berlin hier seit Monaten vorführt, muss ein Ende haben.“

Das „Theater“, auf das sich Laschet bezieht, ist selbstver-

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Von unserem Korrespond­enten
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Merkel, Seehofer, Nahles: „Viel Vertrauen verloren gegangen“, gibt die Kanzlerin zu AP

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