Kleine Zeitung Steiermark

„Damals dachte ich: Nie wieder Österreich“

- Von Christina Traar

Zwi Nigal besuchte seine alte Schule, umheutigen Schülern zu erzählen, wie die „Reichskris­tallnacht“vor 80 Jahren sein Leben für immer verändert hat.

Rund 50 Schüler sitzen an diesemvorm­ittag imfestsaal der AHS Zirkusgass­e im 2. Wiener Gemeindebe­zirk und lauschen einem Mann, der hier vor 80 Jahren ebenfalls Schüler war. Der 95-jährige Zwi Nigal – ein agiler Mann mit spitzbübis­chem Lächeln und klarer Stimme – hat vor ihnen Platz genommen, um zu erzählen, warum er die Schule mit 16 verlassen und nach Palästina flüchten musste. „Das letzte Mal war ich in diesem Gebäude so aufgeregt wie jetzt, als mir eine Mathe-prüfung bevorstand“, sagt Nigal lachend und die Schüler lachen mit ihm. Dann beginnt er zu erzählen.

1923 kommt er als Hermann Heinz Engel – Sohn einer Krankensch­wester und eines Bahnangest­ellten – inwien zurwelt. „Wir waren eine jüdische Mittelschi­cht-familie“, erinnert sich Nigal. Bereits früh erfährt er vom Hass auf Juden. Seinem Vater wird eine Beförderun­g verweigert mit der Begründung: Die Bahn könne keinen Juden zum Chef eines Bahnho- fes machen. „Und das war damals noch vor dem Anschluss, also im rotenwien.“och kurz danach, im März 1938, verändert sich Nigals Umfeld drastisch. „In denklassen­wurde daskruzifi­x gegen ein Hitlerbild getauscht“, erinnert er sich. „Doch auch damals hat niemand damit gerechnet, dass die Deutschen, das Volk Goethes, Juden deportiere­n werden.“Acht Monate später kommtes zu jenernacht, die alles verändern sollte und sich heute zum 80. Mal jährt – die „Reichskris­tallnacht“. Der Zeitzeuge erinnert sich genau, zwei Männer von der Gestapo haben damals an derwohnung­stür geläutet. „Die sahen aus wie aus einem James-bond-film mit ihren schwarzen Ledermänte­ln“, erzählt Nigal. Sie durchsucht­en die Wohnung der Familie – und gingen wieder. „Wir hatten Glück“, erinnert er sich. „Im Nachbarhau­s haben die SA und die Hitlerjuge­nd die Wohnung durchsucht – und die haben Möbel aus den Fenstern geworfen.“

DImdezembe­r läutet es wieder an der Tür – und diesmal hat die Familie kein Glück. Ihre Wohnung wurde einem Parteifunk­tionär zugeteilt. Die wenigen Möbel, die die Familie mitnehmen darf, werden auf einen Handwagen gepackt. „Unter den Zurufen der Menschen auf den Straßen, unter den Hakenkreuz­fahnen sind wir gegangen und ich habe damals gedacht: Nie wieder Österreich.“ier Wochen danach ermöglicht dem damals 16Jährigen ein Visum die Ausreise nach Palästina. Er verabschie­det sich von den Eltern im Glauben, sie bald wiederzuse­hen. „Meinen Vater habe ich damals zum letzten Mal gesehen. Er wurde in Auschwitz ermordet“, sagt Nigal, einige Schüler schauen betroffen zu Boden. Seine Mutter sieht er erst nach dem Krieg wieder. Der geborenewi­ener kämpft in der britischen Armee, macht Karriere in der israelisch­en und wechselt später in die Industrie. Zuwien habe er heute ein gutes Verhältnis, „seine erste Liebe

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