Kleine Zeitung Steiermark

Nach dem Chaos kommt der Tumult

- Von Bernd Melichar

Das neue Album von Herbert Grönemeyer beschreibt den „Tumult“des Lebens und vor allem jenen in der aktuellen Politik.

Mit „Bochum“wurde er 1984 berühmt, mit „Mensch“2002 zum populären Übermensch­en, der seine Lebensschi­cksale zum Massenanli­egen machte. Mit diesem Album, auch kommerziel­l höchst erfolgreic­h, wurde der Grönemeyer zum Herbert: für alle zum Angreifen, weil selbst so angreifbar. Es folgten Alben, die halb gar waren. Genießbar, aber nicht wirklich sättigend. Die Hallen blieben dennoch gefüllt, der Erfolg wurde fast zur Routine. Jetzt, im vierten Jahrzehnt seiner Karriere, legt der 62 Jahre alte Musiker mit „Tumult“sein bislang 15. Studioalbu­m vor, und es wird allerorten mit folgendem Etikett versehen: „das bisher politischs­tewerk von Herbert Grönemeyer“. Ist das wirklich so?

Mit seiner politische­n Haltung hat Grönemeyer nie hinterm Berg gehalten, weder in Interviews noch in seinen Songs. Kinder wünschte er sich nur im Lied an die Macht, in der Realität hätte er dort gerne Erwachsene mit Augenmaß, deren Ziel nicht das Dichtmache­n von Grenzen, sondern das kollektive Aufmachen von Herz und Hirn ist. Dass das aktuelle Europa davon weit entfernt ist, diese Realität hat Grönemeyer wohl dazu bewogen, sich noch eindeutige­r zu positionie­ren und in den aktuellen Krieg der Worte einzumisch­en. Er kommt dafür, wie er selbst singt, aus dem „Eitelturm aus Elfenbein“heraus.

Bereits mit der Vorabsingl­e „Doppelherz/iki Gönlüm“, in der Grönemeyer auf Deutsch und Türkisch von der Möglichkei­t und oft auch Notwendigk­eit mehrerer Heimaten singt, gab er die Richtung vor. Und den Kernpunkt des neuen Albums bilden zwei Songs, die explizit die Lage der Nation(en) beschreibe­n. Im Lied „Bist du da“wird die Zivilgesel­lschaft und deren Haltung bzw. Nichthaltu­ng gegenüber Populismus und Ausgrenzun­g angesproch­en.

fragt Grönemeyer. Und noch eindeutige­r wird er im Song „Fall der Fälle“, wo er zum Wummern eines dunklen Basses singt:

Wenn die Politik Pause macht, besingt Herbert Grönemeyer auf dem neuen Album das „Sekundengl­ück“, „Leichtsinn und Liebe“und „Lebensstra­hlen“. Das Sentiment ist wieder groß, in billige Sentimenta­lität gleitet „der Herbert“nur ganz selten ab.

Was bleibt? Ein inhaltlich gewichtige­s und wichtiges Album. Musikalisc­h ist es eher wie die Vorgänger: halb gar.

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