Frühe Dämmerung, brennendes Geheimnis
Eine literarischewundertüte: Stefan Zweigs erste poetische Kunststücke.
Zweifelameigenenwerk, speziell aus den literarischen Anfangsjahren, zeichnen jeden großen Dichter aus. Diese Skepsis plagte auch Stefan Zweig, der sich ab dem Jahr 1900 als Lyriker und Erzähler erstmals an die (damals noch kleine) Öffentlichkeit wandte. „Von den früheren Sachen höre ich nicht gerne. Ich habe, wie wir alle inwien, früh, zu früh angefangen, und wir müssen nun ernstlich an uns arbeiten und uns nicht von diesen allzuleichten Erfolgen der ersten glatten Versuche verführen lassen“, schrieb er 1910.
Gut, dass Stefan Zweig mit derlei Behauptungen auf massivenwiderspruch stieß. Besonders Sigmund Freud, dem Zweig mehrere seinen Frühwerke widmete, lobte die „künstlerische Höchstleistung“. Eine Höchstleistung anderer Art, die gar nicht ausreichend genug gelobtwerden kann, ist die sieben Bände umfassende, als „Salzburgerausgabe“bezeichnete und vom Zsolnay-verlag herausgebrachte Neufassung aller Werke dieses Visionärs, der seiner Zeit oft weit voraus gewesen ist; so weit, dass er in unbequemen Unterkünften auf sie warten musste.
„Vergessene Träume“betitelt sich die erstmals komplette Zusammenfassung der frühen Erzählungen von Stefan Zweig. Enthalten ist darin auch die Originalversion der „Geschichte der Dämmerung“und seineswerks „Brennendes Geheimnis“– jener grandiosen, insgesamtsiebenmalverfilmtennovelle über einen Urlaub am Semmering, entstanden 1911. Ein frühesmeisterwerk, reich an feinsinnigsten Beobachtungen und subtilen psychologischen Entlarvungen. Pflichtlektüre. Werner Krause Stefan Zweig. Vergessene Träume. Erzählungen I. Zsolnay, 592 Seiten, 26,80 Euro.