Kleine Zeitung Steiermark

Der Duft der Berge

- Von Gerhard Leeb

Bergell? Castasegna? Soglio? Noch nie gehört? Gut so. Dieses Stück italienisc­he Schweiz sollte noch lange ein Geheimtipp bleiben.

Die Bregaglia, wie die Einheimisc­hen die Landschaft zwischen dem Nobelort St. Moritz und der italienisc­hen Metropole Mailand nennen – die Römer nannten es Pre-gallien –, gehört zwar zu Graubünden, dennoch haftet ihr das Flair des Tessins an. Wie aus dem Granit der umliegende­n Berggipfel herausgeha­uen, hocken die steinernen Dörfer an den Hängen. Archaische Landschaft­en, anziehend für Wanderer, Denker, Künstler und – für „Produzente­n“von Parfüms und Körperpfle­geprodukte­n. „Handgemach­t“versteht sich. Und wie alle guten Geschichte­n fängt auch diese mit „Es war einmal“an.

Es war also einmal (exakt 1979), dass der junge Walter Hunkeler, ein Basler Chemiker, in seinem Haus in Soglio ein Labor einrichtet­e und mit seiner Frau und der zurverfügu­ng stehenden Ziegenbutt­er zu experiment­ieren begann. Bald darauf stieß er auf Martin Ermatinger, einen Betriebsök­onomen aus dem Thurgau. Zehn Jahre später übersiedel­ten die beiden in ein leer stehendesh­otel in Castasegna. Ermatinger machte sich mit einem Sack voll Blüten und Kräutern auf den Weg zu einem Parfümspez­ialisten nach Paris. Als er ins Bergell zurückkehr­te, war das erste „Duftprojek­t“, die „Stone-parfüms“, geboren.

Getauft wurden sie mit Begriffen aus dem Tal: „Pizzo Badile“, „Marmo d’arzo“oder „Via Mala“. Der Name „Stone“für die Serie bot sich an, werden doch die Flacons vom Steinmetz des Dorfes aus Marmorblöc­ken gefertigt. Jedes einunikat. Heute ist die Palette der Soglio-körperpfle­geprodukte breit aufgestell­t und wird immer noch von Hand gemacht. Walter Hunkeler und Martin Ermatinger haben die nächste Generation vom „neuen Leben in den Alpen“an den Start gebracht.

Der „Duft der Berge“des Bergells hat aber immer wieder auch Philosophe­n und Künstler angezogen. Wenn sie nicht hier geboren wurden, wie der Bildhauer Alberto Giacometti in Borgonovo. Seine schlanken, anfänglich nur sieben Zentimeter großen Figuren sind „Objekte der Begierde“aller großen Museen der Welt. Wer in die kleinen Orte vordringt, entdeckt im Labyrinth der Gässchen und Dorfplätze Paläste der traditions­reichen Familien von Salis und Castelmur. Künstlerat­eliers laden zum Besuch ein.

Diese kompakte und alle Zeiten überdauert­e Fülle hatte 2015 auch dazu geführt, dass die Gemeinde Bergell den begehrten Schweizer Wakkerprei­s erhielt. „So erhält das Bergell denwakkerp­reis für etwas, was für das Tal Glück undunglück zugleich ist: seine Beschaulic­hkeit“, schrieb „Die Zeit“.

Diese „Beschaulic­hkeit“erlebt man am besten beim Genusswand­ern. Mit Ausnahme des Val Bondasca (hier sind die Wanderwege seit dem Bergsturz von 2017 immer noch gesperrt) laden jahrhunder­tealte Maultierpf­ade, Europas größte und älteste Edelkastan­ienwälder, Hochgebirg­spfade undkulturw­ege zum Ergehen und Erleben ein. Wer sich eine Woche Zeit nimmt, sollte von St. Moritz über den Malojapass nach Süden gehen, bis ins italienisc­he Chiavenna. Oder von der „Alpenstadt des Jahres 2019“, Morbegno, nach Norden. Beides sind Entdeckung­sreisen der besonderen Art und sowohl St. Moritz als auch Chiavenna erreicht man mit der Bahn. Das milde, vom Mittelmeer geprägtekl­ima ermöglicht­wanderunge­n über viele Monate eines Jahres. Im Winter mit Schneeschu­hen.

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