„Wir müssen notfalls auch Drohkulissen aufbauen“
Auch wenn sich eine gewisse Entspannung abzeichnet, schwelen die Handelskonflikte weiter. Wie viel Wachstum kosten uns die Auseinandersetzungen?
GABRIEL FELBERMAYR: Die Effekte sind für uns noch überschaubar, solange es nicht zu einer Eskalation zwischen der EU und den USA kommt. Danach sieht es jetzt nicht aus, trotzdem werden die Wachstumsprognosen überall nach unten revidiert. Davon ist aber nur ein Teil auf die handelspolitischen Risiken zurückzuführen.
Zwischen den USA und der EU bahnten sich zuletzt Gespräche über ein Handelsabkommen an. War es ein gutes Zeichen, dass die USA mit Mexiko und Kanada ein runderneuertes NaftaAbkommen vereinbarten?
Dass Nafta im Wesentlichen weiter Bestand hat, ist eine gute Nachricht gewesen. Die Neuauflage enthält neue Elemente, die die Amerikaner schon unter Obama für das transpazifische Abkommen verhandelt haben. Es enthält aber auch Verschärfungen im Automobilbereich, die für Kanada und Mexiko schwer zu schlucken gewesen sein müssen.
Wie weit ist der Konflikt USA – China ausgereizt?
Da kann schon noch einiges kommen bei einem Importvolumen der USA von etwa 510 Milliarden Dollar. Davon ist knapp die Hälfte mit Zöllen belastet. Zusätzlich zu den bisherigen Paketen gibt es noch Produkte mit einem Volumen von 267 Milliarden Dollar, für die Trump auch noch Zölle verhängen könnte. Die Chinesen haben mit Importen von ungefähr 120 Milliarden Dollar viel weniger Spielraum, weil 50 Milliarden davon bereits mit 25 % belastet sind. Weitere 60 mit 5 bis 10 %, wobei diese eventuell schlimmstenfalls sogar mit 70 oder 80 % belastet werden könnten. Dann geht die Munition der Chinesen langsam
aus.
Was passiert dann?
Grundsätzlich ist das Arsenal dann noch nicht erschöpft. China könnte bei der Abwicklung von Handelsgeschäften
Sand ins Getriebe streuen, Zollabfertigungen verzögern oder Exporte behindern – vor allem von wichtigen Mineralien wie seltenen Erden. Sie könnten den Wechselkurs manipulieren. Was sie auch bisher immer wieder machen, ist Staatsanleihen verkaufen, immerhin hält China noch acht Prozent der gesamten Us-staatsschuld. Wenn die Chinesen beginnen abzuverkaufen, dann rumpelt es.
Der Österreicher Gabriel Felbermayr leitet ab März 2019 das renommierte Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Der Außenhandelsexperte sieht in den aktuellen Handelskonflikten Chancen.
Um die Eskalation seitens der USA zu erklären, zitieren Sie gern aus der Spieltheorie.
Wir wollen ja Struktur erkennen in dem, was da vorgeht.
Also, wer einfach glaubt, der Trump spinnt, denkt zu kurz?
Das behauptet längst keiner mehr. Er spinnt vielleicht in dem Sinn, dass einige seiner Ziele unsinnig sind. Akzeptiert man, dass er diese gewisse Verrücktheit hat, dann kann man schon einiges verstehen.
Was sollte man verstehen?
Wir haben ein Grundproblem mitdemwelthandel. Die Amerikaner und die Europäische Union haben ihre Zölle sehrweit abgesenkt. Das bedeutet, dass die Verhandlungsposition, wie man sie sich vorstellt – du gibst ein Stück nach, ich gebe ein Stück nach – nicht funktioniert. Die Amerikaner haben 2,5 Prozent Zoll. Wenn die Chinesen 2,5 Prozentpunkte locker machen auf 22,5 Prozent, ändert sich nichts. Das ist eineausgangslage, in der keine Bewegung möglich war.
Das heißt, der Ablauf, den wir gerade sehen, ist nur logisch?
Die merkantilistische Logik ist, ich mache meinen Markt auf, wenn du deinen aufmachst. Das gilt auch bei der Frage nach Investitionen. Insofern ist es nachvollziehbar, dass Trump sagt, ich muss aus dem Status quo, derwtoraus, die eben die 2,5 Prozent festgeschrieben hat. Zumindest brauche ich eine starke Drohgebärde. Das ist sehr martialisch, aber eben aus der Spieltheorie erklärbar, weil wir in einer Pattsituation sind.