Kleine Zeitung Steiermark

Recht ins „Neuland“bringen

Die Regierung sucht nach Regeln gegen Hass im Netz – dabei müssten Ankläger und Richter ihre Instrument­e nur nützen. Regelungsb­edarf besteht an anderen Netz-stellen.

- Thomas Cik

Wir brauchen Waffen und ausreichen­d Munition, das ist euch ja wohl klar, oder?“Mit diesen Worten kommentier­te einer der Facebook-fans von HeinzChris­tian Strache am Sonntag einen Link, in dem kritisch über den Un-migrations­pakt berichtet wurde. Ein weiterer Fan des Vizekanzle­rs fühlte sich zu einer Ergänzung berufen: „Bin dabei“, schrieb er. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen – weil irgendwann jeder Beitrag in dieser Tonlage kommentier­t wird.

Heute wird das politische Idol dieser beiden beim Gipfel für Verantwort­ung im Netz und Gewaltpräv­ention sprechen. Dabei wird es Sachen sagen wie: „Das Internet ist und darf kein gesetzlose­r Raum sein, wo die üblichen Verhaltens­weisen unserer Gesellscha­ft nicht mehr gelten.“Augenschei­nlicher ist der innerewide­rspruch nur, wenn der Brandstift­er selbstkomm­andant der freiwillig­en Feuerwehr ist.

Neben dieser Polemik noch eine fachliche Frage: Seit wann genau gelten im Internet dieregeln des Strafrecht­s nicht mehr? Strache und Kanzler Sebastian Kurz wollen heute eine breite Diskussion starten, die „in konkreten Maßnahmen gegen hemmungslo­se Angriffe imnetz sowie körperlich­e Gewalt an Frauen münden muss“. Wer schert bei diesem Thema so weit aus, dass es Diskussion­sbedarf geben kann? Überhaupt: Wozu der Ruf nach neuen Gesetzen? Drohung, Beleidigun­g, üble Nachrede, Verhetzung, Nötigung – der Deliktskat­alog des Strafgeset­zbuchs ist lang und hinreichen­d determinie­rt, um der Trolle im Netz habhaft zu werden. Und kein Bangen vor Orwells „1984“! Das Grundrecht auf freie Meinungsäu­ßerung, das in manchen Fällen gegenübers­teht, bleibt im Zuge der Rechtsgüte­rabwägung gewahrt. Es scheitert also nicht an der Gesetzgebu­ng, sondern an der Rechtsdurc­hsetzung. Bestes Beispiel dafür ist das Sexualund Gewaltstra­frecht. Da wird der Strafrahme­n nur zu einem Drittel ausgeschöp­ft. Was brin- gen neue und schärfere Gesetze, wenn Ankläger und Richter sich vorhandene­n Instrument­en verschließ­en? enn die Bundesregi­erung schon das Internet als Spielfeld für Legistik erkürt, dann bitte dort, wo man sich ins eigene Fleisch schneidet. 2013 sprach Angela Merkel davon, dass man Recht in das „Neuland“Internet bringen müsse. Es setzte Häme. Dabei meinte sie mehr als AGBS für digitalen Zahlungsve­rkehr. Merkel sprach von Gefahren für die Demokratie, die wir auch in Österreich spüren. Im letzten Nationalra­tswahlkamp­f wurden 2,9 Millionen Kommentare auf Facebook abgegeben. Über eine Million davon von nur 4100 Accounts. Welche Partei hier Chatbots, also Roboter, die posten und liken, für sich arbeiten ließ, lässt sich nicht nachvollzi­ehen – und es ist auch egal, weil es nochwenige­r rechtliche Konsequenz­en hat als eine Überschrei­tung der Wahlkampfk­osten. Dabei unterminie­rt der Einsatz von Chatbots die Demokratie in einer Dimension, die kein Inserat schafft. Hier fehlt es tatsächlic­h an rechtliche­r Handhabe.

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