Einigung ohne Hochmut
Im Ringen der Kollektivvertrags-verhandlungen lebt die Sozialpartnerschaft. Federn lässt Gesetzesalleingang der Bundesregierung. Diesemussbei kalter Progression ihren Teil leisten.
Die Eskalation hielt sich in Grenzen. Mit den Warnstreiks zeigte die Gewerkschaft PRO-GE, dass es ihr um ein kräftiges Lohnplus ernst ist, mit dem zugestandenen Abschluss räumten die Arbeitgeber ein, dass Österreichs Metallindustrie eine globalwettbewerbsfähige und also auch aufteilbare Produktivität erzielt. Mit rund 3,5 Prozent Lohnsteigerung im Schnitt dürfen, nach geforderten fünf Prozent, beide Seiten fast zufrieden sein.
Beim Schlagabtausch im Ring der Kollektivverträge lebt die totgesagte Sozialpartnerschaft ihr weltweit beneidetes Modell mit diesem Kv-abschluss in lang geübter Routine. Ja, mehr noch. Mit dem vereinbarten 100Prozent-zuschlag für die 11. und 12. geleistete Arbeitsstunde haben die Verhandler nachträglich auch die holprige Novelle zum Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz der türkis-blauen Bundesregierung teilweise korrigiert. Die von den Arbeitgebern eingeforderte Flexibilisierung ist ihnen etwas wert. Damit wird auch etwas wiederhergestellt, was die Bundesregierung hochmütig negierte: eine ebenbürtige Augenhöhe mit den Arbeit- nehmervertretern. Die Höhe des Zuschlags hat dabei auch vorbeugende Wirkung. Kein Unternehmer wird bei den Kosten freiwillig auf unfreiwillige Dauerüberstunden drängen wollen. Bei den Metallern ist man per Zeitkonto im KV-RAHmen aber ohnehin sehr flexibel. Dieses ermöglicht etwa ohne tägliche Überschreitung von zehn Stunden eine 50-StundenWoche ohne Zulage. Dafür hat man in den letzten vier Jahren die Nachtschichtzulagen um jährlich rund sieben Prozent erhöht. Der politische Disput galt also der Tagschicht. Die KV-EInigung auf die Zuschläge hat das umstrittene Gesetz aus Sicht der Gewerkschaft zahnlos gemacht. Sie bleibt dafür mit der Forderung nach Angleichung des Anspruchs auf eine sechste Urlaubswoche auf der Strecke. Diese wird bisher Beamten ab dem 43. Lebensjahr zugestanden, unselbstständig Beschäf- tigten im ASVG erst nach 20 Jahren bei einem Dienstgeber plus fünf Voranrechnungsjahren.
Aus akuter Facharbeiternot geboren ist die kräftige Steigerung der Lehrlingsentschädigung um durchschnittlich zehn Prozent, im ersten Lehrjahr sogar von 619 auf 719 Euro. Diese vernünftige Erhöhung ist die beste Investition in die Zukunft. ie Metaller sind traditionell Vorreiter für andere Branchen. Bereits heute wird um die Gehälter für 400.000 Handelsangestellte verhandelt, morgen für 45.000 Eisenbahner. Die 100-Prozent-zuschläge werden hier genauso Thema sein wie die rund 3,5 Prozent Erhöhung bei den Metallern. Von dieser Brutto-erhöhung bleiben, wie Agenda Austria errechnete, einem Beschäftigten mit Durchschnittslohn aber nur 2,8 Prozent. Erhebliches frisst die Steuerspirale der kalten Progression. Deren Entschärfung gehört zu den ewig gebrochenen Versprechen. Im Regierungsprogramm kündigt die türkis-blauekoalition an, für eine Entschärfung zu sorgen. Mit der Steuerreform 2020 muss das endlich wahr werden.
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