Kleine Zeitung Steiermark

Eine Reform für den Bauch

Manmerkt der Neuordnung der Mindestsic­herung an, dass sie vor allem auf niedere Gefühle statt nüchterne Fakten zielt. Das heißt aber nicht, dass sie unnötig ist.

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Diekritik an derreformd­er Mindestsic­herung betrifft imwesentli­chen drei Ebenen: Eine grundsätzl­iche – „man darf doch nicht bei den Ärmsten sparen“– und zwei konkrete, nämlich dass mangelnde Deutschken­ntnisse zu empfindlic­hen Kürzungen der Sozialleis­tung führen und dass große Familien deutlich weniger Geld pro Kind bekommen.

Die grundsätzl­iche Ebene ist am einfachste­n abzuhandel­n. Also: Natürlich darf die Regierung auch an der Mindestsic­herung schrauben. Das letzte Sicherheit­snetz des Sozialstaa­ts kann genauso ineffizien­t, wenig treffsiche­r, zu hoch oder zu niedrig sein wie jede andere Maßnahme. Auch wenn es, wie Kritiker nichtmüdew­erden vorzurechn­en, „nur um 0,92 Prozent der Sozialausg­aben geht“: Erstens macht auch das fast eine Milliarde Euro aus und zweitens gibt es deutliche Hinweise auf Reformbedü­rftigkeit: Wenn allein bei der Datenlage, wer eigentlich Mindestsic­herung bezieht, föderales Chaos herrscht und die ausgezahlt­en Summen von Land zu Land teils um mehr als die Hälfte schwanken, ist es an der Zeit, sich Gedanken zu machen, ob man das nicht gescheiter regeln kann.

Die Frage, ob die Deutschken­ntnisse einer Familie darüber entscheide­n sollen, ob sie mit einem drei- oder doch einem vierstelli­gen Betrag das Auslangen finden soll, ist da schon komplexer. Zwar ist das Argument richtig, dass man die Leute motivieren muss, möglichst schnell ins Arbeitsleb­en einzusteig­en – und dafür sind Sprachkenn­tnisse nun einmal wichtig. Allerdings gab es dafür auch bisher Instrument­e: Wer sich nicht genug Mühe gab, bald selbst wieder etwas verdienen zu können, dem konnten Länder oderamssch­on jetzt den Bezug kürzen. Dass diese Kontrollen verschärft, besser zwischen den Trägern abgestimmt werden sollen, ist richtig: Wer sich nicht anstrengt, nutzt die Solidargem­einschaft aus.

Aber schon im Vorhinein einer Familie, die sich nach Kräf- ten anstrengt, Deutsch zu lernen, die Sicherung zu kürzen, verfehlt den Sinn der Sache: Brauchen Kinder eines Vaters, der brav büffelt, um wieder Arbeit zu finden, weniger Geld? as bringt uns zum heikelsten Punkt: dass ab dem dritten Kind die Sicherung nur noch minimal steigt, statt mit jedem Kind um die gleiche Summe zu erhöhen.

Jetzt ist es dem österreich­ischen Sozialwese­n grundsätzl­ich nicht fremd, Familien je nach ihrer Größe unterschie­dlich zu bewerten – nur bisher immer in die andere Richtung: Die Familienbe­ihilfe steigt mit jedem Kind. Man kann schon argumentie­ren, dass es bei mehreren Kindern Synergieef­fekte gebe – aber eine evidenzbas­ierte Politik für den Kopf statt für die niedersten­neidgefühl­e sähe anders aus, würde pragmatisc­h für alle Systeme einheitlic­h regeln: Entweder es wird teurer mit mehr Kindern –oder billiger. Beides zugleich kann nicht richtig sein.

Politik wird aber eben auch – böse Zungen behaupten ja, vor allem – für den Bauch gemacht. Und das merkt man dieser Reform dann doch besonders an.

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