Verkünderin der leisen Töne
Schriftstellerin Andrea Sailer ausweiz hat den Bewohnern des Vinzidorfs eine Stimme verliehen.
Klackern ihrer fast 100jährigen Olympia-schreibmaschine ist vermutlich das Lauteste an dieser Schriftstellerin, an dieser Frau. Die 46jährige Andrea Sailer ist Verkünderin der leisen Töne, der feinen Nuancen. Computer und Internet braucht sie dafür nicht.
Beweis ist ihr inzwischen 14. Buch – ein ganz besonderes: „verloren war ich eh schon so lang“ist anlässlich 25 Jahren Vinzidorf Graz erschienen und im ausgewählten Buchhandel erhältlich. Es ist ein ly- risches Porträt über das Leben im Dorf, das von Obdachlosen und Alkoholkranken. Rund 70 Ehrenamtliche und ein kleines Team an Hauptamtlichen sind in dieser Heimat von Heimatlosen im Einsatz.
Sailer ist eine davon. Tod, Fremdsein, Alleinsein: „Diese Themen haben mich immer schon fasziniert, und alle drei findet man im Dorf. Hier lebenmenschen am Rande der Gesellschaft, am Rande ihrer Existenz, am Rande des Lebens. Menschen, die sonst niemandem mehr genügen – auch nicht sich selbst.“Und das Prinzip des VinziDorfs „gefällt mir nicht nur, es entspricht mir auch“, sagt die Autorin, die am allerliebsten mit dem Bleistift schreibt: „Das ist meiner ewigen Unsicherheit geschuldet. Man kann immer noch radieren.“Sailers Buch ist in enger Zusammenarbeit mit den Bewohnern des Vinzidorfs entstanden. Der Reinerlös kommt auch zur Gänze den Bewohnern zu- gute. Das Buch schockiert, es verstört, es bringt die Gewichtung von Problem(ch)en in ein realistisches Lot, indem es die traurige Vielfalt der Lebensmöglichkeiten aufzeigt. Und gerade durch schonungsloses Aufzeigen im Umkehrschluss das Positive betont. „Für die Menschen hier ist das VinziDorf eine Heimat, wo man aufhören darf, sich für alles zu rechtfertigen, und alles sein lassen darf. Wo man reduziert auf das, was geblieben ist, einfach sein darf. Diese Idee von: Du bist hier willkommen als der, der du jetzt bist und der du nie mehr sein wirst“, sagt die Weizerin.
gehe es um die Alkoholkrankheit und alles, was so dranhängt: „Viele haben verlernt zu kommunizieren, sich um sich selber zu kümmern. Sie sind geschädigt – körperlich wie psychisch. Es sind keine pflegeleichten, keine angepasstenmenschen.“
Nicht mehr. Dafür gibt es diesen Ort, an dem Menschen wie Andrea Sailer bedingungslos tätig sind, an dem es für alle ein Zuhause gibt, das letzte Zuhause. Für manche zugleich das erste.