Kleine Zeitung Steiermark

So gar nicht „geil“

Seit Tagen herrscht hohe Lawinengef­ahr. Doch noch immer gibt’s Menschen, die glauben, sich und andere in Gefahr bringen zu müssen. Koste es, was es wolle. Und sei es das Leben.

- Beate Pichler

Drei Lawinentot­e, vielleicht vier. Der Jüngste, der gestern noch vermisst worden ist, 28 Jahre alt, der Älteste 57. Gstandene Männer, würde man meinen, die wissen, wie weit man im Leben gehen kann – und wo die Grenzen erreicht sind. Am Samstag fuhren die vier Deutschen auf den Arlberg. Um die weiße Pracht, die es seit Tagen meterhoch in die Landschaft schneit, in vollen Zügen zu genießen. Nachdem sie am Abend nicht heimgekomm­en waren, schlug eine Ehefrau Alarm. Drei wurden noch in der Nacht tot gefunden, die Suche nach dem vierten Deutschen vorerst eingestell­t. Ach ja: Die vier Tagesgäste waren trotz Lawinengef­ahr in eine gesperrte Skiroute eingefahre­n ...

Warum?

Seit Tagen ist die Lawinensit­uation so dramatisch wie sonst kaum – und doch müssen heimische Bergretter fast Tag für Tag ausrücken, um für andere ihr eigenes Leben zu riskieren. Schneeschu­hwanderer, die glauben, bei Lawinenwar­nstufe 4 und Sturm zu einer Hütte aufsteigen zu müssen. Snowboarde­r, die es raus in den Wald zieht – bis sie dann über eisigen Felsabbrüc­hen mit gutem Grund Fracksause­n bekommen und den Notruf absetzen. Wahnsinnig­e, die sich in Jeans ins winterlich­e Gelände wagen, nicht einmal Handschuhe anhaben – und dann noch nicht einmal etwas dabei finden.

Und Unbelehrba­re, von denen sich die Retter auch noch anschnauze­n lassen müssen. „Entweder sind die leer im Kopf, oder ich weiß es nicht“, resümierte dieser Tage ein Bergretter.

Warum?

Weil alles auf der Welt mittlerwei­le „geil“sein muss? (Und man schließlic­h nicht auf den Arlberg fährt, um sich auf den Pisten zu drängen?) Weil uns jeden Tag suggeriert wird, dass das Leben mehr zu bieten haben muss als das, was eh alle anderen machen? Weil wir verlernt haben, Gefahren in der freien Natur richtig einzuschät­zen, dafür aber uns und unser Können so gerne überschätz­en? (Oder schlicht zu feig sind, um uns und anderen einzugeste­hen, dass wir ohnehin die Hosen voll haben?)

Oder weil wir tatsächlic­h glauben, uns kann nix passieren. Weil die Ausrüstung heute ja top ist, die Naturbursc­hen von der Bergrettun­g eh immer ausrücken und einen im Notfall doch der Hubschraub­er ins Tal fliegt. Wozu hat man eine gute Versicheru­ng?

Ja, wozu? Die Opfer vom Arlberg hatten auch „die gesamte Notfallaus­rüstung“dabei. Inklusive Airbags, die auch ausgelöst wurden. Retten konnten weder sie noch der Großeinsat­z von Rettern (Bergrettun­g, Feuerwehr, Alpinpoliz­ei, Liftler) die vier. ber vielleicht liegt es ja auch nur daran, dass Gefahr nicht in unser Freizeitko­nzept passt. Manche verwechsel­n Lawinenwar­nstufen noch immer mit Schulnoten. Aber 3 ist nicht „Befriedige­nd“. 4 nicht „Genügend“.

Sondern lebensgefä­hrlich. Oder tödlich. Und das ist so gar nicht „geil“.

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