Schwarze Pädagogik
Sabine ist alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Auf 50 Quadratmetern leben die fünf. Es gibt keinen Platz für einen Schreibtisch, geschweige denn zum Spielen. Die Zwillinge hat Sabine jung bekommen, daher konnte sie ihre Lehre nicht abschließen. Was sie gerne nachholen würde. Sabine geht arbeiten. Aber sie stößt körperlich und psychisch an ihre Grenzen, sodass sie die Arbeit immer wieder verliert. Sie hat kein soziales Netz, das sie unterstützt. Sabine bekommt Mindestsicherung. Das Geld wird künftig weniger, die Fixkosten bleiben gleich.
Mit der Mindestsicherungsreform wird das Leben für viele Menschen in schwierigen Situationen noch schwerer. Um dem Wahlvolk zu signalisieren, dass die Verschlechterungen okay sind, wird schlecht geredet über die Betroffenen: Freiwillig würden oder dürften asylberechtigte Frauen keinen Deutschkurs besuchen, so die Frauenministerin. In immer mehr Familien würden nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, sagt der Kanzler.
Doch die Kürzungen treffen auch die viel zitierten Fleißigen. 21 Prozent der Haushalte, die Mindestsicherung beziehen, sind erwerbstätig und stocken auf. Bei anderen liegt nur der schmale Grat des Arbeitsplatzverlustes zwischen Einkommen und Mindestsicherungsbezug – im Fall der Fälle wäre das Arbeitslosengeld so niedrig, dass sie aufstocken müssten. Das Gesetz verfehlt zudem sein eigenes Ziel der „Eingliederung in das Erwerbsleben“. Wer von Geldsorgen geplagt ist, dem fehlt die Kraft, Deutsch zu lernen, eine Ausbildung zu machen, Arbeit zu suchen – das betrifft Alleinerzieherinnen und Asylberechtigte gleichermaßen. ielführend und menschenwürdig wäre es, zu sagen: Du erhältst die Unterstützung, die du benötigst. Auf dieser sicheren Basis kannst und sollst du deinen Beitrag leisten. Das neue Sozialhilfegrundsatzgesetz prägt ein anderer Geist: Hilfe bekommt nicht, wer sie braucht, sie gebührt nur denen, die sie sich verdienen. Über Menschen in schwierigen Situationen wird verächtlich geredet, sie sollen durch Zwang motiviert werden. Erweise dich würdig, dann bekommst du gnadenhalber was. Das ist nicht gerecht, sondern schwarze Pädagogik. Und ein moralischer Bruch.
Um dem Wahlvolk zu signalisieren, dass Verschlechterungen okay sind, wird schlecht geredet über die Betroffenen.
ZMaria Katharina Moser