Alexis und Alexander
Der griechische Premier Tsipras will den Namensstreit mit Mazedonien beilegen. Das könnte ihn sein Amt kosten. Europas ausfransende Ränder würde es stabilisieren.
Die Politik ist immer für Überraschungen gut. Aber es wäre schon eine besondere Ironie, würde Alexis Tsipras, der einst als größter Problembär in der EU galt, als in Berlin und Brüssel heute wohlgelittener Premier am Ende akkurat über jenes Vorhaben stürzen, das ihm einen Ehrenplatz in den europäischen Geschichtsbüchern sichern würde.
Denn das Zweckbündnis zwischen Tsipras’ Linkspartei Syriza und den rechtsnationalen „Unabhängigen Griechen“ist am Ende. Zerbrochen an der Politik der Aussöhnung mit Mazedonien, der Verteidigungsminister Panos Kammenos mit seinem Rücktritt am Sonntag die Gefolgschaft verweigert hat.
Fast 30 Jahre lang hat der bizarre Streit, ob Mazedonien denn Mazedonien heißen dürfe, die Beziehungen zwischen Athen und Skopje vergiftet und die Anbindung der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik an EU und Nato blockiert.
Unter Verweis auf Alexander den Großen und die Antike gaben die wechselnden Regierungen in Athen vor, ein Exklusivrecht auf den Namen zu besitzen. Was sie in Wahrheit um- trieb, waren freilich das Wissen um die gewaltsame Hellenisierung von Nordgriechenland, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter osmanischer Herrschaft noch ein buntes Gemisch von Völkern, Sprachen und Religionen gewesen war, und die Furcht vor Gebietsforderungen. Gegen eine gütliche Beilegung des Namensstreits mobilzumachen, gehörte über Dekaden hinweg gleichsam zum guten Ton in der griechischen Politik.
Aber auch auf der anderen Seite der Grenze trieben die Toxikologen des Völkischen ihr Unwesen. Zwielichtige politische Führer wie der jüngst bei Nacht und Nebel außer Landes geflüchtete frühere Premier Nikola Gruevski nahmen den schwelenden Konflikt zum Vorwand, um die eigene drückende Übermacht zu zementieren. Unter Ausgrenzung der starken albanischen Minderheit wurde eine angebliche Abstammung der slawischen Bevölkerungsmehrheit von den Mazedoniern Alexanders des Großen herbeifantasiert und mit der Errichtung bombastischer Statuen des antiken Welteneroberers und seiner Sippe gefeiert.
Erst Tsipras und die neue mazedonische Führung geboten der Tollerei auf beiden Seiten Einhalt. Im Juni 2018 kamen sie überein, dass Mazedonien künftig Nordmazedonien heißen solle. Am Freitag hat das Parlament in Skopje der Verfassungsänderung zugestimmt. as eine Mazedonien gibt es nicht. So lautet ihre Botschaft. Sie ist deshalb so bemerkenswert, weil sie mit der alten, gerade am Balkan verbreiteten Wahnidee bricht, ethnische und staatliche Grenzen ließen sich in Einklang bringen. Das hat schon zum blutigen Zerfall Jugoslawiens geführt.
Vor allem aber öffnet der Kompromiss Mazedonien das Tor zum Westen und entwindet das Land dem begehrlichen Griff Putins, der in Südosteuropa verlorenes Terrain wiedergewinnen will. Allein um Russlands Expansion an Europas ausfransenden Rändern zu bremsen, darf Tsipras nicht scheitern.
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