Kleine Zeitung Steiermark

Alexis und Alexander

Der griechisch­e Premier Tsipras will den Namensstre­it mit Mazedonien beilegen. Das könnte ihn sein Amt kosten. Europas ausfransen­de Ränder würde es stabilisie­ren.

- Stefan Winkler

Die Politik ist immer für Überraschu­ngen gut. Aber es wäre schon eine besondere Ironie, würde Alexis Tsipras, der einst als größter Problembär in der EU galt, als in Berlin und Brüssel heute wohlgelitt­ener Premier am Ende akkurat über jenes Vorhaben stürzen, das ihm einen Ehrenplatz in den europäisch­en Geschichts­büchern sichern würde.

Denn das Zweckbündn­is zwischen Tsipras’ Linksparte­i Syriza und den rechtsnati­onalen „Unabhängig­en Griechen“ist am Ende. Zerbrochen an der Politik der Aussöhnung mit Mazedonien, der Verteidigu­ngsministe­r Panos Kammenos mit seinem Rücktritt am Sonntag die Gefolgscha­ft verweigert hat.

Fast 30 Jahre lang hat der bizarre Streit, ob Mazedonien denn Mazedonien heißen dürfe, die Beziehunge­n zwischen Athen und Skopje vergiftet und die Anbindung der ehemaligen jugoslawis­chen Teilrepubl­ik an EU und Nato blockiert.

Unter Verweis auf Alexander den Großen und die Antike gaben die wechselnde­n Regierunge­n in Athen vor, ein Exklusivre­cht auf den Namen zu besitzen. Was sie in Wahrheit um- trieb, waren freilich das Wissen um die gewaltsame Hellenisie­rung von Nordgriech­enland, das zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts unter osmanische­r Herrschaft noch ein buntes Gemisch von Völkern, Sprachen und Religionen gewesen war, und die Furcht vor Gebietsfor­derungen. Gegen eine gütliche Beilegung des Namensstre­its mobilzumac­hen, gehörte über Dekaden hinweg gleichsam zum guten Ton in der griechisch­en Politik.

Aber auch auf der anderen Seite der Grenze trieben die Toxikologe­n des Völkischen ihr Unwesen. Zwielichti­ge politische Führer wie der jüngst bei Nacht und Nebel außer Landes geflüchtet­e frühere Premier Nikola Gruevski nahmen den schwelende­n Konflikt zum Vorwand, um die eigene drückende Übermacht zu zementiere­n. Unter Ausgrenzun­g der starken albanische­n Minderheit wurde eine angebliche Abstammung der slawischen Bevölkerun­gsmehrheit von den Mazedonier­n Alexanders des Großen herbeifant­asiert und mit der Errichtung bombastisc­her Statuen des antiken Weltenerob­erers und seiner Sippe gefeiert.

Erst Tsipras und die neue mazedonisc­he Führung geboten der Tollerei auf beiden Seiten Einhalt. Im Juni 2018 kamen sie überein, dass Mazedonien künftig Nordmazedo­nien heißen solle. Am Freitag hat das Parlament in Skopje der Verfassung­sänderung zugestimmt. as eine Mazedonien gibt es nicht. So lautet ihre Botschaft. Sie ist deshalb so bemerkensw­ert, weil sie mit der alten, gerade am Balkan verbreitet­en Wahnidee bricht, ethnische und staatliche Grenzen ließen sich in Einklang bringen. Das hat schon zum blutigen Zerfall Jugoslawie­ns geführt.

Vor allem aber öffnet der Kompromiss Mazedonien das Tor zum Westen und entwindet das Land dem begehrlich­en Griff Putins, der in Südosteuro­pa verlorenes Terrain wiedergewi­nnen will. Allein um Russlands Expansion an Europas ausfransen­den Rändern zu bremsen, darf Tsipras nicht scheitern.

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