Zum Überleben braucht es mehr als Schwein
Ab Mittwoch stellt die Autorin Angelika Reitzer im Grazer Literaturhaus die besten literarischen Debüts des letzten Jahres vor – und nimmt das zum Anlass, sich in einer kurzen Textreihe mit dem Anfangen zu befassen. Folge 1: das Verschwinden.
Ein Schwein wird in einem aber im Alltag nicht mehr vorhanden. Planschbecken defibrilliert: In der Anwesenheit So beginnt David Fuchs’ des sterbenden ehemaligen Roman „Bevor wir verschwinden“. Geliebten stellt sich neben der Der Autor ist Onkologe nach Erinnerung auch die Frage, und Palliativmediziner, mit was im Gedächtnis bewahrt seinem Debüt reiht er sich ein werden kann, wenn die Speicherorte in die illustre Reihe schreibender in einen nicht existenten Ärzte wie Tschechow oder Raum wie die Cloud Schnitzler. In der Geschichte ausgelagert werden, Datenträger, eines jungen Assistenzarztes, Bücher, Bilder, Fotos nicht der auf der Krebsstation mehr greifbar sind. Vergangenes, seine Jugendliebe Zukünftiges, wiedertrifft und mit deren Ziele, Erledigungen, Bürozeiten: absehbarem Tod Schaffe ich es, konfrontiert ist, dient in meinem eigenen Leben das Schwein als Versuchstier, wirklich anwesend taucht als zu sein, immer wieder Motiv auf und hat auch David Fuchs. von Neuem? Anfang symbolischen Charakter Bevor wir verschwinden. und Ende liegen immer und als solches steht nahe beieinander, mit es für das Glück, das wir Haymon, Glück fächert sich dazwischen einander am Beginn eines 19,90 Euro. ein reiches neuen Jahres aussprechen. Leben auf, und doch braucht es Das letzte Projekt des Sterbenden mehr als nur Schwein, um ist es, Polaroidfotos von nicht einfach zu überleben, Menschen und Dingen zu machen sondern so bewusst zu leben, – und zwar genau in dem dass das eigene Verschwinden Moment, in dem sie verschwinden. nicht schon lange vor dem Tod An die technische einsetzt. Magie, wenn sich das Polaroid vor unseren Augen entwickelt, mögen sich noch einige erinnern, die analoge Fotografie ist
„Debüts des Jahres“im Literaturhaus Graz
Jänner, 19 Uhr: David Fuchs: Bevor wir verschwinden (Haymon). Alexander Kamber: All das hier (Limmat). Ally Klein: Carter (Droschl). Johanna Maxl: Unser großes Album elektrischer Tage (Matthes & Seitz).
Angelika Reitzer,
geb. in Graz, lebt in Wien. Ihr jüngster Roman „Obwohl es kalt ist draußen“erschien 2018 bei Jung & Jung.
Donnerstag,
17.Jänner, 19 Uhr: Julia von Lucadou: Die Hochhausspringerin (Hanser). Helmut Neundlinger: Eins zwei Fittipaldi (Müry Salzmann). Denis Pfabe: Der Tag endet mit dem Licht (Rowohlt). Barbara Rieger: Bis ans Ende, Marie (Kremayr&scheriau).