Die Parteien als Verlierer
Politische Parteien scheinen ihren Machtzenit überschritten zu haben. Das zeigen einerseits die Verluste traditioneller Parteifamilien wie der Sozialdemokraten unabhängig von Spitzenkandidat und Wahlgang. Die großen historischen Erzählungen wie der Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern erzeugen nicht mehr jene Verbundenheit zwischen Partei und Wählerschaft wie erhofft. Ähnliches gilt für christlich-konservative Parteien und ihr in letzter Zeit ohnehin getrübtes Verhältnis zur katholischen Kirche mit ihrer schwindenden Deutungsmacht über das allgemein dominierende Moralsystem.
Andererseits zeugen zwei aktuelle Debatten von einer Zurückdrängung des Einflusses von Parteien durch deren Spitzenrepräsentanten selbst. So schlug der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) die Direktwahl seiner Position vor. Sein zukünftiger Amtskollege aus dem Burgenland, Hans Peter Doskozil (SPÖ), pflichtet ihm bei. Diese grundlegende Veränderung der Auswahl der Regierungsspitze auf Landesebene unterstützt zweifelsohne das Selbstbewusstsein der Landeshauptleute. Bestes Anschauungsbeispiel dafür, wie eine derartige Machtteilung enden kann, bieten aktuell die USA.
Zweites Beispiel ist das Övp-vorzugsstimmenmodell für die Eu-wahl. Die Wähler sollen nach Vorstellung von Bundeskanzler Kurz über die künftigen Mitglieder des Europäischen Parlaments entscheiden. Das verspricht maximalen Einsatz jedes einzelnen Kandidaten und die Hoffnung, dass auch eine einzelne Stimme viel bewirkt. Stammtisch-profis werden dabei allerdings größere Chancen haben als die oft gewünschten Sachexperten. och kann eine moderne Demokratie ohne politische Parteien funktionieren? Bei allem Verständnis ob des Verdrusses über manche parteitaktischen Reflexe und Winkelzüge: Wem gelingt es in ähnlicher Weise, unterschiedliche Interessen zu organisieren und zu verhandeln? Oder messen wir in Zukunft politischen Erfolg wirklich nur mehr anhand von Kanzler-umfragen und bedingungsloser Stimmenmaximierung?
Die großen historischen Erzählungen erzeugen nicht mehr jene Verbundenheit zwischen Partei und Wählern wie erhofft.
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