Die Weckrufe waren nie lauter
In Österreich starben vier Frauen gewaltsam – in nur acht Tagen des noch jungen Jahres. Eine verrohende Gesellschaft muss endlich hinsehen, fatale Warnsignale ernst nehmen.
Ein erfreulicher, hoffnungsvoller Jahresbeginn sieht anders aus: 2019 ist gerade einmal 16 Tage jung, doch bereits vier Frauen wurden in Österreich getötet. Dazu kommt ein weiterer versuchter Mord.
Blutig war bereits die Bilanz, die die Polizei für 2018 zog: 70 Todesfälle wurden offiziell als Mord angezeigt. 41 der Opfer waren Frauen – und deren Leben wurde ausschließlich von Männern beendet. Eine Entwicklung, die sich 2019 fortsetzt: In Amstetten stirbt eine vierfache Mutter durch Messerstiche ihres als „fundamentalistisch“geltenden Ehemannes. Zu einer Beziehungstat kommt es auch in einer Gemeinde in der Buckligen Welt – festgenommen wird der Ex-lebensgefährte der Getöteten – ein Einheimischer. In Wiener Neustadt erwürgt ein junger, polizeibekannter Syrer eine 16-Jährige. In der Nacht auf gestern tötet am Wiener Hauptbahnhof ein 21-Jähriger seine 25-jährige Schwester. Schwierig, hier noch von Ausreißern zu sprechen. Sehen wir endlich genauer hin.
Dass Verbrechen von Tätern mit Migrationshintergrund gesetzt werden, ist ein Faktum. Al- lein: Die Keule ausschließlich in eine allzu naheliegende Richtung zu schwingen, wäre so fatal wie verfehlt: Auch Österreicher, oft im familiären Nahbereich zu ihren Opfern, schreiten zu Gewaltverbrechen. „Die Gefahr für Frauen, durch ihren Partner ermordet zu werden, ist größer als durch Terroristen“, bilanziert man seitens der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, wo man Opfern stumpfer Wut hilft. Um die 6000 Fälle sind es jedes Jahr.
Was viele Fälle doch eint: in tödliche Sackgassen führendes, „männlich“ausgelegtes Besitzdenken. Ohnmacht im innerhäuslichen Bereich, die schließlich explodiert und in Gewaltverbrechen kulminiert. Daneben als Motiv nicht wegzuleugnen: das Berufen auf angebliche Ehrbegriffe. Diese schreien in ihrer kranken, unseren westlichen Wertekanon leugnenden Ausrichtung danach, zu „korri- gieren“, indem Leben ausgelöscht wird. Auch die irre Überzeugung „Ich besitze dich – und kann ich dich nicht besitzen, vernichte ich dich“zieht sich wie ein blutroter Faden durch. Rosa Logar von der Interventionsstelle sagt: „Kein Land der Welt ist frei von Gewalt an Frauen und Gewalt in der Familie.“Sie gibt aber zu bedenken: Je patriarchaler Gesellschaften ticken, desto stärker würden Frauen und Kinder unterdrückt, desto mehr Gewalt gebe es. öchste Zeit, das große Ganze auf den Prüfstand zu heben – im Angesicht jener Herausforderungen, die das 21. Jahrhundert an uns stellt. Hemmschwellen sinken zusehends – und wo der Respekt für Frauen soziokulturell fehlt, waren diese niemals da. Die Gesellschaft (in all ihrer Überforderung) und die in der Pflicht stehende Politik müssen auf die Realität fokussieren: Was ist los? Wie können wir entgegensteuern? Wie stoppen wir Verrohung? Über unserer Wahrnehmung liegt längst gefährlich dicke Hornhaut. An Prävention und Beratung darf ebenso wenig gespart werden wie an Achtsamkeit. Auch an ihr mangelt es.
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