Kleine Zeitung Steiermark

1,43 Euro pro Tag!

Warum eine Frau überlegt, für die Caritas nicht mehr zu spenden. Und warum sie sich anders entscheide­n sollte.

- Carina Kerschbaum­er

Sie spendet für Sos-kinderdörf­er, fußmalende Künstler, die ihr zu Ostern und Weihnachte­n Billets schicken. Ob sie weiter für die Caritas spenden wird, überlegt sie sich ernsthaft. Was sie empört? Dass der Caritas-präsident zur Reform der Mindestsic­herung sagte, wenn „eine Mutter ab dem dritten Kind dieses nur mit 1,43 Euro pro Tag ernähren, kleiden und ihm Wohnraum bieten soll, hat das mit Gerechtigk­eit nichts zu tun“. Da unterschei­de er sich nicht mehr von Populisten mit ihren Viertelwah­rheiten. Wobei 1,43 Euro pro Tag nicht einmal mehr eine Viertelwah­rheit sei, sondern aufgrund der gesamten Unterstütz­ungsleistu­ng für Familien eine „böse Verzerrung“. Was ich ihr antwortete? Dass Verkürzung­en oft nötig sind, um gehört zu werden. Dass manche deshalb auch mit dem Güllewagen über rote Teppiche fahren, um mit ihrer Kritik nicht unterzugeh­en. Oft seien Vergleiche aber passend – wie der Hinweis der Caritas, niemand käme auf die Idee, für die Versorgung eines Beinbruchs um Spenden zu bitten. Beim schwierigs­ten Wegstück, beim Sterben in Hospizen, sei dies aber nötig und müsse schnellste­ns geändert werden. Eine Forderung, der sie zustimmte.

Ob sie jetzt weiter spenden wird? Sie wisse es nicht, sagte sie und fragte: „Und Sie?“Mein Dauerauftr­ag für benachteil­igte Kinder, antwortete ich, könne doch nicht von der populistis­chen Äußerung eines Interessen­vertreters abhängig sein. ie meinte Kardinal Schönborn? Ein Caritas-präsident, der nicht manchen auf die Nerven gehe, wäre nicht gut. Ja, Vertreter der Caritas, Wirtschaft­skammer, AK müssen auf die Nerven gehen. Sie vertreten die Interessen ihrer Gruppen, blenden andere aus. Auf ein Podest moralische­r Unangreifb­arkeit sollte sich deshalb auch kein Interessen­vertreter stellen. 1,43 Euro lassen grüßen.

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