„Bauern wollen nicht immer den schwarzen Peter“
Wie die Kluft zwischen urbaner Konsumgesellschaft und bäuerlicher Produktion geschlossen werden kann: Zum 90. Geburtstag der Landwirtschaftskammer skizzierte deren Spitze mögliche Auswege.
In eingeschneiten Orten der Obersteiermark sieht man dieser Tage Bauern für ihre Nachbarn Brot backen und direkt die Milch liefern. Nahversorgung als Fingerzeig für die Zukunft? FRANZ TITSCHENBACHER:
Natürlich wünscht sich niemand eine solche Notsituation ...
... aber es zeigt, dass wir es wieder mehr zu schätzen wissen müssten, alle Lebensmittel zu jeder Zeit zur Verfügung zu haben.
Die Anforderungen an Bauern ändern sich stark, weil sich die Gesellschaft ändert. Der Konsument wird kritischer, älter, einsamer, er hinterfragt viel mehr. Wir sind ja da, um die Gesellschaft nach ihren Wünschen gesund zu versorgen. Das bietet viele neue Chancen, aber viele Herausforderungen, wie wir produzieren (müssen).
MARIA PEIN: WERNER BRUGNER: Vor allem günstig, oder? BRUGNER:
Es wird immer eine große Schicht geben, die sich günstig ernähren will. Da sind wir im internationalen Wettbewerb und müssen uns so aufstellen, dass wir das gewährleisten können. Aber es gibt auch viele neue Wege, von Bio-ökonomie bis Ab-hof-vermarktung.
Wolf, Mountainbiken, Pestizide – in vielen Lebensbereichen driften die Ansichten von Produzenten und Konsumenten auseinander. Wie ist diese Kluft zu kitten? TITSCHENBACHER:
Wir sind bei Tierwohl oder Pflanzenschutz in einer Stimmungsdemokratie gelandet. Wir müssen das wieder Richtung Wissensdemokratie lenken, ein realistisches, nicht verklärtes und nicht dramatisiertes Bild unserer Landwirtschaft vermitteln.
Dazu ist es nötig, Dinge wieder auf Faktenbasis zu stellen. Wenn Sie den Greenpeace-wasserbericht von November hernehmen, da wurde viel Wirbel gemacht, den man selbst bei der Gewässeraufsicht nicht nachvollziehen konnte.
Da ging es um die im Wasser nachgewiesenen Antibiotika. In der Tierhaltung werden diese längst nicht mehr präventiv eingesetzt, sondern nur als Medikation. Die Landwirtschaft ist nicht immer Verursacher. Der Anteil der von Menschen ausgeschiedenen Antibiotika ist hoch. Wir Bauern wollen nicht die ganze Zeit den schwarzen Peter zugeschoben bekommen.
BRUGNER: PEIN: Auch nicht, wenn morgen steirische Bauern wegen möglicher Grenzwertüberschreitungen vor Gericht stehen? TITSCHENBACHER:
Sicher tut das weh. Wir gehen davon aus, dass unsere Bauern mit großem Verantwortungsgefühl wirtschaften, und hoffen, dass beim Prozess das bewiesen wird.
Müssen Höfe gläserner werden? TITSCHENBACHER:
Es gibt eine große Transparenz, vom Tag der offenen Stalltür bis zu Hofaktionen der Direktvermarkter. Aber es gibt Ausnahmesituationen, etwa wenn Tiere infolge einer Krankheit verenden, da prallen oft Weltbilder aufeinander. Glauben Sie uns, Tierwohl liegt den Bauern selbst am Herzen. Nur wenn die Tiere gesund sind, ist der Betrieb gesund.
Dazu kommen die vielen Kontrollen bei Pflanzenund Tierschutz. Die Bürokratie wird vielen schon fast zu viel.
BRUGNER: Häufig stehen sich Bauern und NGOS unversöhnlich gegenüber. Warum sucht man nicht das gemeinsame Gespräch? TITSCHENBACHER:
Das haben wir versucht. Man wird sich aber gegenseitig schwer überzeugen.
Wenn ich mir die Initiatoren des Tierschutz-volksbegehrens ansehe, sehe ich eine Gesprächsbasis, die wir ausbauen sollten. Wenn es aber zu Fundamentalismus wird, oder, wie geschehen, mit der Kamera in der Hand bei uns oder in Ställen eingebrochen wird, und sich Leute anketten, ist das keine vertrauensbildende Maßnahme.
BRUGNER: Zwischen Bauer und Kunde ist der Handel. Reicht es als Interessenvertreter zu sagen: „Der Handel ist so böse und übermächtig“? TITSCHENBACHER:
Alle wissen: