Kleine Zeitung Steiermark

In der blauen Echokammer

- Von Michael Jungwirth

Herbert Kickl

überlässt nichts dem Zufall. Wenn er im Orf-report gegen „irgendwelc­he seltsamen rechtliche­n Konstrukti­onen“vom Leder zieht, die Europäisch­e Menschenre­chtsund die Genfer Flüchtling­skonventio­n infrage stellt, ist der Aufschrei der Empörten fix eingeplant. Dass Kickl nach der Vorladung bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und dem Telefonat mit dem Kanzler seine Aussagen abgemilder­t hat, schwächt ihn in keiner Weise. In den blauen Echokammer­n wird er als David, der gegen den „Mainstream der politische­n Eliten“heldenhaft ankämpft und der „politische­n Korrekthei­t“Tribut zollen musste, gefeiert. Nach dem Motto: Wenn es sein muss, rudern wir halt zurück. Einsicht sieht anders aus. n gewisser Weise ist Kickl als Innenminis­ter an seinem Ziel angekommen. Beim freiheitli­chen Neujahrstr­effen vor einer Woche erhielt er den größten Applaus. Das ist be- merkenswer­t, denn Kickl kommt nicht aus dem Innersten der Partei, sondern war immer nur der Sekretär. Der 50jährige Kärntner machte als Redenschre­iber von Jörg Haider und später als Heinz-christian Straches Vordenker Karriere. Weniger Wohlmeinen­de bezeichnen ihn auch als „Straches Hirn“. Kickl hatte mit Burschensc­haftern nie etwas am Hut, er gehört keiner Verbindung an und ward nie am Akademiker­ball gesehen. Kickl ist mehr Taktiker als Ideologe, mehr Stratege als aufrechter Rechter. n seiner Rolle als Innenminis­ter lebt der 50-jährige Kärntner richtig auf. Uniformen bereiten ihm eine nahezu kindliche Freude, der Extremspor­tler,

Triathlet,

Eiskletter­er und Bergläufer er-

Iliegt der Faszinatio­n des Martialisc­hen. Die Mission, die er zu erfüllen meint, ist eine andere. In jeder Rede, jedem Interview, jeder Pressekonf­erenz kommt Kickl auf die „berechtigt­en Sorgen der Menschen“und das „subjektive Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g“zu sprechen. Das mag banal klingen. Wenn der langjährig­e Wahlkampfm­anager mit dem untrüglich­en Gespür für politische Schwingung­en auf effekthasc­herische Maßnahmen wie seltsame Polizeiübu­ngen an der Grenze oder Taschenmes­serverbote für Asylwerber setzt, werden blaue Stammtisch­e bedient. ickl, Strache, in Abstrichen Norbert Hofer sind jene Fpö-minister, die am stärksten die blaue Agenda im Blickfeld haben. Der Umbau zur rechtslibe­ralen Partei wurde längst ad acta gelegt, im Zeitalter des Populismus ist die Verlockung der Metamorpho­se gering. Für keine andere Partei stellt der Eintritt in eine Regierung eine solche Herausford­erung dar wie für die FPÖ, die mit der EU wenig am Hut hat, das Establishm­ent bekämpft, von der aggressive­n Rhetorik lebt. Wie lang der Spagat aufrechtzu­erhalten ist, bleibt offen.

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Aufschrei der Empörten und das Zurückrude­rn sind einkalkuli­ert: Kickl APA

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