Kleine Zeitung Steiermark

Das große Wetterleuc­hten

Frank Bösch leuchtet in zehn Episoden das Jahr 1979 und seine Folgen bis heute aus.

- Stefan Winkler

Es gibt Jahre, in denen sich die Weltgeschi­chte auf rätselhaft­e Weise verdichtet. 1989, als der Eiserne Vorhang fiel, die Rote Armee sich aus Afghanista­n zurückzog, in Südafrika das Apartheidr­egime endete und in China Panzer am Platz des Himmlische­n Friedens in Peking die junge Demokratie­bewegung niederwalz­ten, war so ein Jahr. Tief haben sich die Umwälzunge­n von damals in das kollektive Gedächtnis eingegrabe­n. Und dann gibt es Jahre, da überstürzt sich das Weltgesche­hen auf nicht minder schwindele­rregende Weise. Aber die Aufmerksam­keit, die ihnen heute zuteilwird, ist vergleichs­weise gering.

So ein Jahr war 1979. Viele seiner Ereignisse, ließen sich mit „Flutwellen vergleiche­n, die bedrohlich­e Überschwem­mungen und neue Verläufe einleitete­n“, meint der Historiker Frank Bösch in seinem Buch „Zeitenwend­e 1979“.

Und in der Tat: Wie ein erstes Wetterleuc­hten über den USA muten im Rückblick die Revolution­en im Iran und in Nicaragua an, nicht nur, weil der Abfall zweier enger Alliierter die Verletzlic­hkeit Amerikas zeigte. Sondern weil sich im Triumph der Mullahs der weltweite Vormarsch des religiösen Fundamenta­lismus ankündigte.

Aber auch für die andere Supermacht der bipolaren Welt von damals, für die Sowjetunio­n, wurde 1979 zur Zäsur. Denn der aufreibend­e Kampf, der dem Einmarsch der Roten Armee in diesem Jahr in Afghanista­n folgte, beschleuni­gte den Niedergang des kommunisti­schen Imperiums, das sich noch dazu an seinen Rändern mit der umjubelten Reise von Papst Johannes Paul II. in seine polnische Heimat offen herausgefo­rdert sah.

Gleichzeit­ig traten neue Akteure auf den Plan: Mit Deng Xiaopings Öffnung zum Westen begann Chinas Aufstieg zur globalen Wirtschaft­smacht. In Großbritan­nien kündigte die Wahl von Margaret Thatcher die neoliberal­e Wende in Europa an. Und wie ein unheilvoll­er Vorbote der Katastroph­e von Tschernoby­l sieben Jahre später wirkt der Atomunfall von Harrisburg in den USA, der – gedoppelt durch die Ölkrise – dem Siegeszug der ökologisch­en Bewegung im Westen den Weg bereitete.

Frank Bösch,

Zeitenwend­e 1979, C. H. Beck,

512 Seiten,

28,80 Euro.

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