Das große Wetterleuchten
Frank Bösch leuchtet in zehn Episoden das Jahr 1979 und seine Folgen bis heute aus.
Es gibt Jahre, in denen sich die Weltgeschichte auf rätselhafte Weise verdichtet. 1989, als der Eiserne Vorhang fiel, die Rote Armee sich aus Afghanistan zurückzog, in Südafrika das Apartheidregime endete und in China Panzer am Platz des Himmlischen Friedens in Peking die junge Demokratiebewegung niederwalzten, war so ein Jahr. Tief haben sich die Umwälzungen von damals in das kollektive Gedächtnis eingegraben. Und dann gibt es Jahre, da überstürzt sich das Weltgeschehen auf nicht minder schwindelerregende Weise. Aber die Aufmerksamkeit, die ihnen heute zuteilwird, ist vergleichsweise gering.
So ein Jahr war 1979. Viele seiner Ereignisse, ließen sich mit „Flutwellen vergleichen, die bedrohliche Überschwemmungen und neue Verläufe einleiteten“, meint der Historiker Frank Bösch in seinem Buch „Zeitenwende 1979“.
Und in der Tat: Wie ein erstes Wetterleuchten über den USA muten im Rückblick die Revolutionen im Iran und in Nicaragua an, nicht nur, weil der Abfall zweier enger Alliierter die Verletzlichkeit Amerikas zeigte. Sondern weil sich im Triumph der Mullahs der weltweite Vormarsch des religiösen Fundamentalismus ankündigte.
Aber auch für die andere Supermacht der bipolaren Welt von damals, für die Sowjetunion, wurde 1979 zur Zäsur. Denn der aufreibende Kampf, der dem Einmarsch der Roten Armee in diesem Jahr in Afghanistan folgte, beschleunigte den Niedergang des kommunistischen Imperiums, das sich noch dazu an seinen Rändern mit der umjubelten Reise von Papst Johannes Paul II. in seine polnische Heimat offen herausgefordert sah.
Gleichzeitig traten neue Akteure auf den Plan: Mit Deng Xiaopings Öffnung zum Westen begann Chinas Aufstieg zur globalen Wirtschaftsmacht. In Großbritannien kündigte die Wahl von Margaret Thatcher die neoliberale Wende in Europa an. Und wie ein unheilvoller Vorbote der Katastrophe von Tschernobyl sieben Jahre später wirkt der Atomunfall von Harrisburg in den USA, der – gedoppelt durch die Ölkrise – dem Siegeszug der ökologischen Bewegung im Westen den Weg bereitete.
Frank Bösch,
Zeitenwende 1979, C. H. Beck,
512 Seiten,
28,80 Euro.