Kleine Zeitung Steiermark

Klopftöne aus dem Vakuum

Die Sozialdemo­kratie bemüht sich, das Grenzgänge­rtum des Innenminis­ters für einen Genesungss­chub in eigener Sache zu nutzen. Das wird nicht reichen.

- Hubert Patterer

Die SPÖ kündigt einen Misstrauen­santrag gegen Herbert Kickl an und fordert offen den Rücktritt des Innenminis­ters. So etwas gehört zum politische­n Betrieb und ist insofern erwähnensw­ert, als eine Vermissten­anzeige aufgehoben werden kann. Pamela Rendi-wagner: Es gibt sie noch.

Das Misstrauen, das sich Kickl mit seinen ewigen Missverstä­ndnissen erarbeitet hat, wird im Parlament keine Mehrheit finden. Da er Teil des blauen Bauplans ist, bleibt er auch in Zukunft eine Prüfung für das Land. Vergessen wird, dass Kickl bei aller Empörung mit diesem Land und dessen Aggregatzu­stand schon auch etwas zu tun hat. Er steht für das Rabiate und allzeit Ressentime­ntbereite in der Bevölkerun­g. Erstmals findet es in einer Regierung ein Abbild. So hoch ist der aggressive, gegen die anderen gerichtete Zorn noch nie gestiegen.

Die SPÖ will die Front gegen den Minister nutzen, um sich als Opposition­skraft neu aufzuladen. Die Inszenieru­ng als moralische­s Gegengewic­ht wird für die Genesung nicht reichen, weil sie das Grundprobl­em der Partei nicht löst. Die Regierung verfügt über eine in sich geschlosse­ne, abgedichte­te Erzählung, die sie in einfacher Sprache und Logik repetiert und abwandelt. Diese Erzählung handelt von Identität und Verlustäng­sten, sie ist entgegen aller Rhetorik keine Reformerzä­hlung, jedenfalls bisher nicht.

Die Sozialdemo­kratie hat keine solche geschlosse­ne Gegenerzäh­lung. Ihr bleiben daher nur die rituellen Gegen-reflexe, die die Not vergrößern. Am sichtbarst­en offenbart sich diese Mechanik beim M-thema, der Migration. Schon Christian Kern hat sich in dieser Frage, die trotz sinkender Zahlen für viele Bürger virulent bleibt, ans entgegenge­setzte Ufer treiben lassen. Harte Ideologie wurde mit gesinnungs­ethischer Gegenideol­ogie beantworte­t statt mit nüchterner Pragmatik.

Auf diese Weise hat Kern die Wahl verloren, ohne dass die Partei aus dem Schaden klüger geworden wäre. Abermals stellten die Regierungs­parteien im Zwist um die Mindestsic­herung die erprobte Falle auf, und die Wiener SPÖ zögerte nicht, ihr triebhaft zu folgen, bis sie zuschnappt­e. Es brauchte nur einen auf linke Reflexe codierten Haudrauf wie Peter Hacker, der die Probleme wegpoltert und dann die Nazi-axt auspackt. Ein gütigeres Geschenk hätte man der Regierung nicht machen können. Warum der pragmatisc­h-besonnene Bürgermeis­ter, so ziemlich in allem das Gegenbild zum Sozialstad­trat, das zuließ, bleibt rätselhaft. ie SPÖ hat wenig gelernt und nichts geklärt. Alte Defizite verfestige­n sich unter neuer Führung: Die Partei wirkt kraftlos und indisponie­rt. Zwischen linkem und rechtem Flügel wuchert weiter der Argwohn. In ihrem Abwehralgo­rithmus vermittelt die SPÖ den Eindruck einer reformfein­dlichen Bewahrerin. Es fehlen die beherzten Gegenentwü­rfe. Stattdesse­n opponiert die Partei gegen das Spärliche und skandalisi­ert es. So wird es schwer werden für Rendiwagne­r. Sie läuft Gefahr, sich im Vakuum abhandenzu­kommen.

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