Kleine Zeitung Steiermark

Von Wundern und Wunden

- Von Michael Tschida

Ein Testament von Zeitzeugen, bewegend und offen: Journalist­in Alexandra Föderl-schmid und Fotograf Konrad Rufus Müller porträtier­ten 25 Holocaust-überlebend­e.

Man wollte mich in den Tod befördern, von Lager zu Lager. Aber ich sitz’ immer noch da und hab die meisten von denen, die damals auf ihrem Posten gesessen sind, überlebt.“

Sagt Marko Feingold. Ende Mai wird er 106. Der Salzburger ist der älteste Holocaust-überlebend­e

Österreich­s. Und der älteste jener 25 Zeitzeugen, die Alexandra Föderl-schmid porträtier­t hat. Nämlich in ihrem Band „Unfassbare Wunder“, der auch „Unfassbare Wunden“heißen könnte, denn das Sprichwort „Zeit heilt alle Wunden“gelte nicht für Auschwitz, sagt die Münchner Psychother­apeutin Eva Umlauf, „diese Wunde wird eigentlich schlimmer, wenn man älter wird“. Am 3. November 1944 hieß die damals Zweijährig­e plötzlich A-26959 – ihre Kz-häftlingsn­ummer, tätowiert in den linken Unterarm.

Autorin Föderl-schmid, früher Chefredakt­eurin des „Standard“und seit einem Jahr Korrespond­entin der „Süddeutsch­en Zeitung“in Tel Aviv, las davon, dass es in Israel noch nie einen so hohen Bedarf an Trauma-therapien aufgrund des Holocausts gegeben habe wie 2017. Quasi ein Auftrag für die 47Jährige, Gespräche mit Überlebend­en zu führen – in Deutschlan­d, Österreich und Israel. „Es ging mir dabei nicht nur darum, ihre Schicksale festzuhalt­en, sondern auch zu erfahren, wie diese Menschen die Gegenwart sehen und Entwicklun­gen beurteilen.“Der Holocaust sei ja nicht nur Geschichte, sondern Warnung. Ihre Arbeit sei darum „auch ein Weckruf “.

Es ist ein bewegendes Buch. Und ein sehr offenes, über offene Menschen. Sie schildern den Horror damals, die Ängste und Hoffnungen heute, benennen Versäumnis­se, etwa in und von Österreich, das mit seinem Erbe enttäusche­nd umgegangen sei und ewig den Opfermytho­s aufrechter­halten habe. Und strahlen trotz all des Erlebten, des Unfassbare­n Kraft aus, gerade auch auf den eindrückli­chen Schwarz-weiß-fotos von Konrad Rufus Müller. Für den 78jährigen Berliner, der (außer Merkel) sämtliche deutschen Bundeskanz­ler porträtier­t hat, ist es sein bisher wichtigste­s Buch, denn „wir publiziere­n ein Testament dieser Menschen“. Unfassbare Wunder. Böhlau, 184 Seiten, 35 Euro.

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OTTO STARK
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ROSA GIRSCH
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GIDEON ECKHAUS
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Alexandra Föderlschm­id, Konrad Rufus Müller.

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