Die Geschichte vom Ganter und seinen Gänseküken
T. C. Boyle als Reiseleiter. Er lädt in „Das Licht“seine Kultusgemeinde zu einem holprigen LSD-TRIP ein.
Der Roman beginnt im Jahr 1943. Damals entdeckte der Chemiker Albert Hofmann die berauschende Wirkung von Lysergsäurediethylamid, kurz LSD genannt. Hofmanns Selbstversuche schildert T. C. Boyle recht grotesk, aber schon hier schleicht sich ein Verdacht ein. Denn aufgeschlossene Professoren integrierten Hofmanns Erleuchtungen schon vor gut vier Jahrzehnten in ihren Unterricht.
Dann folgt ein Sprung ins Jahr 1962, an die Harvard-universität, wo sich Timothy Leary anschickte, zum LSD-GURU aufzusteigen. Er versprach sich von der bewusstseinserweiternden Wirkung der Droge auch eine Revolution der Psychoanalyse. In seinem legendären „Inner Circle“ging ein kleiner Kreis Auserwählter regelmäßig auf psychedelische Reise. Um seiner Geschichte einigen Halt zu geben, schickt T. C. Boyle den fiktiven Learyassistenten Fitz samt Ehefrau in den Kreis, deren pubertierender Sohn folgt ebenfalls.
Wer sich mit all den Umbrüchen jener Zeit nur halbwegs beschäftigte, dem ist Mister Leary durchaus geläufig. Er war eine zwielichtige, aber charismatische Figur, und er haute auch politisch gehörig auf den Putz. Mit seiner Kommune zog er weiter nach Mexiko, dann wieder zurück in ein Schloss in Minnesota. Seine Rolle definierte Leary konradlorenzmäßig so: „Ich bin der Ganter –und ihr alle seid meine Gänseküken.“Man erhörte ihn. Also herrschte neben orgi- astischer Dauerdröhnung, befeuert durch Alkohol, fortan auch pauschale Vögelfreiheit.
Nun hat T. C. Boyle auf seinem weiten Themenfeld schon einige abstruse Gesellschaftsveränderer vom Sockel geholt. Dem Sexforscher Kinsey zog er die Hosen aus, den Klistierfanatiker Kellogg zerbröselte er wie dessen Cornflakes. „Das Licht“aber hat die Strahlkraft einer flackernden Funzel. Altbacken, antiquiert wirkt die Story, fast oberlehrerhaft die Lektion: Man misstraue, Restverstand vorausgesetzt, fanatischen Führern. Und sonst? Erklingt ein weiterer Abgesang auf die Jahre der Rebellion, diese trug die Garantie des Scheiterns in sich. Am Ende gilt: Der Letzte macht das Licht aus. Gerne.