Von der Kanzlerin lernen
Putins München-auftritt 2007 gilt als Blaupause für missverstandene Kränkungen in der Politik. Merkel mahnt und zeigt, warum sie zur Ausnahmeerscheinung geworden ist.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel befindet sich unbestritten im Spätherbst ihrer Karriere. Seit dem Rückzug als Cdu-vorsitzende und der Ankündigung, nicht mehr als Regierungschefin kandidieren zu wollen, wirkt sie wie befreit von diplomatischer Diktion. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz war das so elementar zu spüren wie nie zuvor. Bei ihrer Kritik an der Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik von Us-präsident Donald Trump beließ sie es nicht bei Andeutungen. Sie hämmerte direkt auf den Mann im Weißen Haus ein, während dessen Tochter im Raum saß und regungslos zuhörte. Kurz vorher hatte Ivanka Trump in einem Tweet auf Deutsch preisgegeben, dass sie beim Treffen mit der Kanzlerin am Vorabend in München „so viel von ihr gelernt“habe. Was sie nun von Merkel lernen konnte: Zwischen alten Freunden spricht man Tacheles, wenn es nötig ist. Nach Merkels Rede stand unzweifelhaft fest, dass die transatlantischen Beziehungen vor einer Zerreißprobe stehen. Zudem machte die Kanzlerin deutlich, dass sie auf der politischen Bühne als eine der letz- ten stabilisierenden Faktoren in der globalen Unordnung fehlen wird.
Das wurde spätestens klar, als der iranische Außenministers Mohammed Dschawad Sarif die Bühne betrat. Sein Auftritt erinnerte an eine Rede an gleicher Stelle zwölf Jahre zuvor durch Wladimir Putin. Damals griff der russische Präsident das Überlegenheitsgefühl des Westens scharf an, umriss das neue Anspruchsdenken Moskaus und die Rückkehr zu einer bipolaren Welt. Er hatte die Zuhörer gewarnt, an diesem besondereren Ort, einmal ohne „diplomatische Rücksichten“sagen zu können, was er denke. Dann folgte das, was heute als Ankündigung aller außenpolitischen Schritte Russlands verstanden wird – entstanden aus einer langjährigen Demütigung durch den Westen und auch einer persönlichen Kränkung Putins. Richtig eingeordnet wurden seine Wor- te lange Zeit nicht. Ähnliches droht nun auch Sarif. Auch er griff die USA an und verwendete Begriffe, die nach dem Ende der Geduld mit einer bevormundeten Weltmacht klingen. Er forderte Europa auf, Washington endlich die Stirn zu bieten, und unterstrich, wie sehr sich sein Land in die Ecke gedrängt fühlt. „Wir haben ein Recht, uns selbst zu verteidigen“, betonte Sarif und fügte an: „Niemand verkauft uns auch nur ein einziges Kampfflugzeug.“Und dann fragte er: „Wie sollen wir uns verteidigen, mit Schwertern?“erkel betonte zwar die „schädlichen und schwierigen Wirkungen“, die vom Iran ausgingen. Sie betonte aber, dass der Atomdeal „der kleine Anker“sei, „den wir noch haben, um auf anderen Gebieten Druck zu machen“. Es ist die Grundidee der Sicherheitskonferenz: Gesprächskanäle offenhalten zur Stärkung der globalen Sicherheit. Merkel verwies zu Recht darauf, dass im Umgang mit Moskau Fehler gemacht worden waren. Aus Putins München-auftritt könnte man lernen – auch für den Umgang mit dem Iran.
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