Schüssel und die Ironie der Geschichte
Der Ex-kanzler gehört dem „Weisenrat“an, der Viktor Orbán prüfen soll.
Viktor Orbán, Ungarns Regierungschef, hat einen feinen Sinn für Ironie. „Im Jahr 2000 wurde die ÖVP untersucht, nun ist es Wolfgang Schüssel, der untersucht“, sagte er, als er von der Zusammensetzung des Ermittlerteams gegen seine Amtsführung hörte: Herman Van Rompuy, Hans-gert Pöttering und eben – Wolfgang Schüssel. „In zwanzig Jahren werde ich vielleicht die schwedischen Liberalen untersuchen. Die Aussicht gefällt mir.“
Als Schüssel 2000 eine Regierung mit der FPÖ bildete, ging es freilich um mehr. Die damals 14 übrigen Eu-staaten hatten Sanktionen gegen Österreich verhängt, die sich als kontraproduktiv erwiesen. Um aus der Sackgasse herauszufinden, sandte man drei „Weise“, deren Entlastungsspruch die Sanktionen beenden half. Diesmal steht lediglich die einvernehmlich zwischen Ungarn und der Europäischen Volkspartei vereinbarte Suspendierung von Orbáns Fidesz auf dem Spiel.
Wolfgang Schüssel, Aufsichtsrat beim deutschen Energiekonzern RWE und ab Juni auch beim russischen Lukoil-konzern, hat sich zuletzt hauptsächlich den Veranstaltungen der von ihm geleiteten „Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen“gewidmet. Nun ist er zurück auf der politischen Bühne. „Der nächste Treppenwitz der Evpfarce“, kommentiert der stellvertretende Sp-klubchef Jörg Leichtfried.
Mit Orbán prüft Schüssel einen politischen „Freund“. Der schon damals umstrittene Ministerpräsident war 2015 sogar zum 70. Geburtstag Schüssels nach Wien gereist. „Gute Nachbarschaft ist der Schlüssel für Frieden“hatte der Geehrte in seiner Rede gesagt. Nun muss er ihn selbst stiften.