Zuerst der „Tatort“, dann die Wahl?
Erst um 23 Uhr liegen am Abend der Eu-wahl erste handfeste Ergebnisse vor. Das gab es seit 1945 noch nie.
Seit dem Siegeszug des Fernsehens in den Siebzigerjahren liefen Wahlsonntage in vielen Familien ritualisiert ab. Tagsüber gab man seine Stimme ab, und auch weniger politisch Interessierte nahmen gegen 17 Uhr, wenn das letzte Wahllokal geschlossen wurde, vor dem Tv-gerät
Platz, um – je nach politischer Überzeugung – in fiebriger, freudiger, verzweifelter Anspannung aus dem Mund des Hochrechners die ersten Trends zu erfahren. Zur Zeit im Bild um 19 Uhr 30 war der Abend gelaufen. Der Innenminister verkündete das vorläufige Endergebnis, und ein Teil der Fernsehzuschauer konnte nahtlos zum „Tatort“übergleiten. ir werden eine nationale Kraftanstrengung brauchen, damit wir um 17 Uhr nicht im Dunkeln tappen und auf Gerüchten aus sozialen Medien angewiesen sind“, bekennt der Hochrechner der Nation, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Unter dem Eindruck der Wiederholung der Bundes
Wpräsidentenwahlen geht das Innenministerium auf Nummer sicher und will erst um 23 Uhr, wenn das letzte Wahllokal in Europa (in Italien) geschlossen ist, die Daten freigeben. Weniger Wohlmeinende vermuten, Innenminister sei an gar keinem frühen Wahlabend interessiert, schneiden doch die Freiheitlichen bei Europawahlen traditionell schlecht ab. Eine Euvorgabe, dass alle 28 Mitgliedsländer ihre Daten um 23 Uhr veröffentlichen dürfen, gibt es nicht. Österreich geht einen, wenn auch ganz legalen, Sonderweg. ür Hofinger stellt die Sperrfrist eine Herausforderung dar, basierten in Österreich seit 1945 alle Hochrechnungen nicht auf Exit-polls, sondern auf Detailergebnissen, die aus allen Landesteilen im Orf-studio eintrudeln. Hofinger ist in intensiven Gesprächen mit dem ORF und der Branche, um die Mittel für eine Wahltagsbefragung (vor mehreren Hundert Wahllokalen) sicherzustellen.
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