Haut volley
Von Franzobel
Es gibt Sportarten, die immer nur alle heiligen Zeiten in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangen, kurz aufblitzen, um gleich wieder zu verschwinden. So wie dieser Tage Frauenringen, wo die Tirolerin Martina Kuenz die Em-silbermedaille im wahrsten Sinne des Wortes errang.
Als Mann darüber zu schreiben, ohne die aufgelegten Anspielungen zu bedienen, ist schwierig. Haben die Kämpferinnen doch ständig ihre glutei maximi in der Höhe und geht es letztlich darum, jemanden flach zu legen. Doch zum Sportlichen: Zu Beginn greifen sich die Kontrahentinnen an die Haare, was ein bisschen äffisch wirkt, an das Lausen von Schimpansen erinnert, dann haken sie sich ineinander, sehen aus wie siamesische Zwillinge, die sich voneinander lösen wollen, krabbelt dieses Doppelkopfwesen wie eine betrunkene Spinne über die Matte.
Ringen ist ein hautintensiver, berührender Sport, bei dem es fast intim wird, wobei über das Privatleben der Ringerinnen, die ja in der Arbeit ständigen Hautkontakt haben, nur wenig bekannt ist. Ist es wie bei Masseuren, die daheim nicht kneten wollen, lieber ihre Hände in einen Kübel voll Kamillentee hängen? Oder wie bei Sozialarbeitern, Kellnern, die sich zu Hause nur bedienen lassen? eim Ringen jedenfalls fahren ganze Heerscharen kleiner Botenstoffboten wie Foodora-essensauslieferer von einem Körper zum anderen, um taktile Klingeln zu berühren. An einen Skorpiontanz kann man denken, an sich paarende Käfer. Es geht um
BHaltegriffe und sich in der aktuellen Gewichtsklasse schwer machen, um Klammern, lauern, den Gegner einlullen, um ihn dann blitzschnell zu übertölpeln. ingen ist etwas, das ich nicht verstehe. Tut mir leid, aber ich schaffe es nicht. Bodenkampf ? Kopfhüftwurf ? Brücke? Das Regelwerk ist bestimmt auf Altgriechisch verfasst. Das, worum es geht, nämlich den Gegner auf die Schultern zu legen, passiert so gut wie nie. Eines aber fällt auf, dass die Frauen so wie beim Boxen, mit oder ohne Kick, oft Zöpfchen tragen. Um der Gegnerin keinen Halt zu bieten? Oder um ihre Weiblichkeit trotz dieses harten Sports zu zeigen. ines nämlich ist unbestritten, auch wenn Frauenringen medial kaum in Erscheinung tritt, erfordert es enorme Ausdauer und Disziplin. Wahrscheinlich werden im Training Sandsäcke geschleppt und steile Bergwege hochgerannt, vermutlich werden Kühe wie Eisenbahnwaggons verschoben, trächtige Schweine getragen, stehen die Kämpferinnen jährlich Tausende von Stunden in der Kraftkammer, um sich dann von bierbäuchigen Männern, die bereits beim Erklimmen eines Schemels außer Atem geraten, zweideutige Bemerkungen gefallen lassen zu müssen, oder eben nicht. Frauenringen, das ist ein mir unverständlicher, aber schöner Sport. Gratulation an die Tirolerin Martina Kuenz zum Vizeeuropameister-titel.
Ring frei für Weiteres.
REFranzobel, 1967 in Vöcklabruck geboren, ist Schriftsteller und Sportfan.