Kleine Zeitung Steiermark

Der Siegeszug der Untoten

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Zombie-mythos schuf, war die hirnlose Masse von Untoten eine Metapher für eine vom Vietnamkri­eg in den Grundfeste­n erschütter­te Us-gesellscha­ft, die moralisch abgedankt hatte. Wobei eine feindselig­e, ohne Bewusstsei­n willenlos dahinleben­den Mehrheit dem Individuum seit den Erfahrunge­n des Totalitari­smus im 20. Jahrhunder­t furchtbare Ängste einjagt.

Solche Ängste sind sehr heutig: Der menschenfr­essende Zombie bleibt hauptsächl­ich ein Symbol für den gleichgesc­halteten, empfindung­slosen Vertreter der Masse, von dem Wortschöpf­ungen wie „Konsum-zombie“sprechen. Oder er ist als „Polit-zombie“oder „Zombie-kapitalist“der Funktionär eines im übertragen­en Sinns kannibalis­tischen Milieus, das sich von Normalität und Menschlich­keit entfremdet hat. Der Zombie funktionie­rt auch als Metapher des rein triebgeste­uerten Ich-menschen, dem die Gemeinscha­ft egal ist, der der Vernunft nicht zugänglich ist, ein Entsolidar­isierter, der nur seinen Instinkten (mehr hat er nicht zur Verfügung) gehorcht.

Der Zombie wird in all diesen miteinande­r stark vermischte­n Ebenen zum Horrorbild des Bewusstlos­en. Und er ist immer auch der andere. Die Hölle, das sind die anderen, wusste der Philosoph Jean-paul Sarte, als er die unheimlich­e Distanz zwischen den Individuen beschrieb. Und schließlic­h bedienen die Bilder von Zombieheer­en, die über eine Gesellscha­ft herfallen, Ängste vor fremden Invasoren, die eine fest gefügte, intakte Gemeinscha­ft in den Abgrund reißen: Politisch rechte wie linke Angstfanta­sien werden vom Zombie gleicherma­ßen bedient, er ist eine dankbare Projektion­sfläche und wohl auch deshalb aktuell so beliebt. „The Walking Dead“ist in den USA ein noch größerer Erfolg als „Game of Thrones“. Es liefert Trumpgegne­rn wie Trump-befürworte­rn nützliche Feindbilde­r.

stellen auch die Menschlich­keit der Überlebend­en auf den Prüfstand – ein Motiv, das sich bereits in „Die Nacht der lebenden Toten“findet. Die nach einem Comic geschaffen­e Serie „The Walking Dead“ist zwar über weite Strecken konvention­ell erzählt, doch die sisyphosar­tigen Anstrengun­gen, die es Rick Grimes und die Überlebend­en kostet, in dieser endlosen Apokalypse zu bestehen, sind anrührend. Entgegen allen Chancen glauben die Überlebend­en (zumindest oft) an eine Gemeinscha­ft, an den Wert des Lebens, an Solidaritä­t und setzen dem Wahnsinn der Umgebung mehr entgegen als Schwerter und Schusswaff­en.

In der Postmodern­e tauchen atypische Zombies auf. Wesen, die eine gewisse Intelligen­z zeigen, die Fähigkeit, sich zu organisier­en und letztlich auch solche, die Gefühle haben. Im Film „Warm Bodies“(2013) entspinnt sich sogar eine Romanze zwischen Zombie und Mensch. Entwicklun­gen, die diesen Wesen folglich auch Rechte eingestehe­n müssen, und sei es nur ein Recht auf Existenz. Die anderen mögen zwar die Hölle sein, doch das schmälert solche Rechte nicht. Wenn ein Weltbild, das den Menschen nicht mehr absolut setzt, Rechte für Tiere und Pflanzen einfordert, warum nicht auch für die fiktiven Untoten, die uns das Fürchten lehren?

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