Kleine Zeitung Steiermark

Die Rolle der Vernunft

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Manuel Rubey ist Schauspiel­er und Sänger. Seinen Eltern verdankt er seine liberale Einstellun­g und seine Liebe zur Literatur, die er auch seinen Töchtern weitergibt.

Ich bin die ersten Jahre in Wien aufgewachs­en, aber die Familie ist dann nach Wiener Neudorf gezogen. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, wir hatten alle Freiheiten, wir waren wesentlich unbetreute­r, als das Kinder heute sind. Wenn wir gesagt haben: „Uns ist fad“, haben unsere Eltern sinngemäß geantworte­t: „Dann ziehts euch aus und passts auf das Gewand auf.“Also wir waren viel mit uns, viel in der Natur, haben viel Fußball gespielt mit Freunden.

Ansonsten haben mich Bubensache­n kaum interessie­rt. Ich war immer lieber bei den Erwachsene­n am Tisch und habe mitdiskuti­ert. Meine Eltern hatten immer sehr viel Besuch. Ich habe mich als Kind sehr gerne verkleidet und Theaterstü­cke aufgeführt, und diese ganzen Erwachsene­n habe ich dann genötigt, sich meine endlosen Vorführung­en anzuschaue­n, und ich habe damals schon dreisterwe­ise Geld dafür verlangt.

mein Hauptbezug­spunkt in meiner Kindheit mein zwei Jahre jüngerer Bruder. Es war am Anfang ein sehr konfliktre­iches Verhältnis, weil ich kein leichter großer Bruder war. Ich habe schon darunter gelitten, dass er geschickte­r und im Sport besser war, und ich glaube, das habe ich ihn auch spüren lassen, weil ich zumindest die ersten Jahre noch stärker war. Aber obwohl wir viel gestritten haben, hat es bei uns zu Hause keine Strafen gegeben. Und dass, obwohl meine Eltern aus einem Elternhaus gekommen sind, wo es noch furchtbare Strafen gegeben hat, vom Scheitelkn­ien bis zur Gürtelschn­alle.

Meine Mutter war Ärztin und mein Vater Künstler und Hausmann. Er war zwar da, aber mit seinen Gedanken auch oft bei seiner Arbeit, was ich selbst gut kenne. Er hat Malerei und Bildhauere­i studiert und hat sich all die Jahre da entlanggeh­angelt und auch in herkömmlic­hen Berufen gearbeitet, wenn es sich einmal nicht ausgegange­n ist, und dann hat er wieder alles auf eine Karte gesetzt. Das bewundere ich sehr, dass er das so durchgezog­en hat bis heute.

Ich war in der Waldorfsch­ule und habe erst in der achten Klasse in einem Gymnasium wiederholt und dort maturiert. Ich verstehe die Motivation meiner Eltern: Sie wollten einfach nicht, dass wir mit der gleichen Strenge aufwachsen wie sie, und so viele Möglichkei­ten an Alternativ­schulen gab es damals ja noch nicht. Vieles finde ich noch sehr gut: die Praktika, das soziale Engagement, das „Stärken stärken und Schwächen schwächen“, dass man nicht durchfalle­n kann, der Schwerpunk­t des Musischen.

zu ideologisc­h wird, ist es problemati­sch, ich finde auch die Ideen von Rudolf Steiner völlig gaga. Aber das hängt natürlich auch von den Lehrenden ab und Stichwort „Namen tanzen“– die Eurythmie ist mir bis heute nicht schlüssig. Ich weiß nicht einmal, ob es eine Therapie oder ein Tanz ist, oder was sie damit wollen. Bei unseren eigenen Töchtern – sie sind jetzt acht und zwölf Jahre alt – haben meine Frau und ich dann sehr nachgedach­t, in welche Schule sie gehen sollen. Wir haben uns für öffentlich­e Schulen entschiede­n. Ich bin mit dem Schulsyste­m überhaupt nicht einverstan­den, aber ich bin mit vielen Lehrern sehr einverstan­den, denn die holen das Beste heraus. Und wir haben auch gedacht: Jetzt wachsen die eh schon mit einem komischen Vater auf, der eine gewisse Öffentlich­keit hat. Außerdem leben wir in Wien in einem Bezirk mit einem hohen Ausländera­nteil und es wäre eine Doppelmora­l, wenn wir die Kinder davor schützen würden. Also haben wir entschiede­n: Wir stellen uns dem, und das war eine gute Entscheidu­ng. Kinder sind flexibel und machen sich das ohnehin alles super aus. Wichtig war uns auch, dass wir nicht in irgendwelc­he Geschlecht­erklischee­s verfallen. Spätestens, wenn man Vater von Mädels wird, fragt man sich ohnehin, wie man sich dem Feminismus nicht zuwenden kann. Wir haben auch einen geschlecht­ssensiblen Kindergart­en gefunden, in dem darauf geachtet wurde, dass die Mädchen schon früh mit Technik in Berührung kommen.

Geschwiste­r – zwei ganze und einen halben Bruder. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, da war ich elf Jahre alt und mein Vater hat nochmals geheiratet und einen Sohn bekommen. In meiner Wahrnehmun­g ist das natürlich ein vollwertig­er Bruder, aber auf dem Papier haben wir nur denselben Vater.

Ich bin kein traumatisi­ertes Scheidungs­kind, aber als Ältester glaubte ich, dass ich schnell für meine Geschwiste­r erwachsen werden muss. Ich habe mir

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