Befriedigung der Fleischeslust
Einer meiner Großväter war ein starker Raucher. Er qualmte Zigaretten der Marke Austria 3, vierzig Stück am Tag. Wäre er ein frommer Katholik gewesen, hätte er sich wohl bemüht, dem Rauchen in der Fastenzeit zu entsagen. Nach der Osternachtfeier hätte er freilich gepafft wie eh und je und das mit kirchlichem Segen.
Heute gilt Rauchen nicht mehr als fesch und unbedenklich, sondern als rücksichtslos und ungesund. Das Essen von Tieren dagegen wird in unserer Gesellschaft großteils nach wie vor als notwendig und normal betrachtet. Um dies zu hinterfragen, rufen zahlreiche katholische Einrichtungen der Diözese Graz-seckau für die Fastenzeit zu einem Fleischfasten auf.
Gut so. Denn wie der für Graz angekündigte „Veggie Day“jeden Mittwoch weist vorösterliches Fleischfasten darauf hin, dass der derzeitige Fleischkonsum mit immensem Leid für unzählige Tiere verbunden ist, maßgeblich zur Klimaerhitzung beiträgt und sich negativ auf die menschliche Gesundheit auswirkt.
Aber nicht nur gut. Denn die Kehrseite dieser unterbrochenen Befriedigung der Fleischeslust ist genauso evident: Wer eine Zeit lang auf das Essen von Tieren verzichtet hat, darf nach vollbrachter „Kasteiung“wieder ungeniert zu Schnitzel und Schlachtplatte greifen. Während viele Unterstützer des bereits 2003 (!) eingeführten „Meatless Monday“, unter ihnen Paul Mccartney, Vegetarier sind, die den fleischfreien Montag als ersten Schritt zu einer vegetarischen (oder veganen) Lebensweise betrachten, betonen zahlreiche Vertreter des kirchlichen Fleischfastens, dass sie außerhalb der Fastenzeit selbstverständlich „keine Fleischverächter“seien. emporär Fleischfastende wollen vielleicht nicht, dass Tieren in industriellen Anlagen die Freude am Leben genommen wird, haben aber nichts dagegen, dass ihnen in Schlachthöfen das Leben endgültig genommen wird. Und das unter Qualen und am laufenden Band. Osterschinken und Lammbraten warten schließlich darauf, gesegnet und verspeist zu werden. Man ist ja gut katholisch.
„Das Essen von Tieren wird in unserer Gesellschaft großteils nach wie vor als notwendig und normal betrachtet.“
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