Zur Person
als Gesellschaft, müssen wir versuchen, unterschiedliche Wahrheitsperspektiven vereinbar zu machen.
Das heißt, „die“Wahrheit gibt es demnach nicht.
Wahrheit ist immer im Zusammenhang mit Suchen und vernünftigem Finden zu sehen. Aber ich möchte noch einmal auf Ihre Frage zurückkommen: Wer ist schuld an der Krise der Wahrheit? Es gibt da schon einige Verdächtige, nicht nur die Populisten. Schon die Postmodernen haben gesagt: Alles ist erlaubt, es gibt keine Wahrheit, das ist nur ein Mythos. Wobei: Die Populisten stellen ja die Wahrheit als solche nicht infrage. Sie sagen nur: Wir haben eine andere Wahrheit, Stichwort „alternative facts“. Motto: Wir bezweifeln ja nicht, dass es die Wahrheit gibt, aber es wird uns die falsche Wahrheit präsentiert. Von den Eliten, von den Konzernen, von den Medien. Stichwort Lügenpresse.
Wo orten Sie weitere Ursachen für einen Wahrheits- bzw. Glaubwürdigkeitsverlust?
Ich orte einen gewissen Entfremdungsprozess. Wir haben geglaubt, wir haben alles im Griff, wir können die Welt gestalten, sie beeinflussen, sie globalisieren. Und plötzlich merken wir, dass das alles doch nicht so einfach ist.
Spielt da auch das Schwinden von Sicherheiten eine Rolle?
Auch das. Daraus wiederum resultiert Verunsicherung. Wenn dann jemand daherkommt, der sagt: „Ich verstehe dich und deine Probleme“, dann ist man gerne bereit, dem zu glauben. Michael Steiner, geboren 1951 in Bruck/mur, studierte Jus, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Zunächst Assistent und seit 1997 Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Graz. Steiner ist Herausgeber der Sammelreihe „WAS“.