„Yung Hurn ist geil“
Für gemeinsame Autofahrten findet meine Familie durchaus Musik, die wir alle gern hören. Heuer hatten wir allerdings die Schuhschachtel mit den CDS vergessen, und im oberitalienischen Kanaltal gab es keinen Sender, der nicht unzumutbar krachte. Geraume Zeit hielt uns Klemens bei Laune, der erstaunlich textsicher a cappella diverse Oldies zum Besten gab, sekundiert von den Schwestern als Hintergrundsängerinnen und Jakob, der statt auf Drums auf Kopfstützen, Schwimmflossen und Jausenboxen eintrommelte. Die Stimmung war großartig, bis die Musiker erschöpft in einen wohlverdienten Anfahrtsschlaf versanken.
Nach dem Apennin funktionierte auch das Autoradio wieder. Gerade als Astrid einen für unseren Geschmack völlig unbrauchbaren Sender verlassen wollte, jaulte Klemens schlaftrunken aus der zweiten Reihe auf: „Bitte lass die Nummer, das ist Yung Hurn, der taugt uns voll!“
Meine Frau und ich glaubten, uns verhört zu haben (wenn Sie den seltsamen Künstlernamen halblaut vor sich hinmurmeln, werden Sie wissen, warum), aber unser Sohn buchstabierte den Namen, bevor er unmittelbar nach dieser Nummer wieder in Tiefschlaf fiel. Astrid recherchierte am Handy, welchen erfolgreichen Nachwuchsmusiker wir an diesem denkwürdigen Tag kennenlernen durften. Der 24-jährige Wiener aus der
Donaustadt heißt mit bürgerlichem Namen Julian Sellmeister. Fallweise tritt er auch unter dem Pseudonym K. Ronaldo als sein fiktiver älterer Bruder auf. Nach Abbruch seiner Schullaufbahn begann er als Rapper. Eine seiner erfolgreichsten Nummern trägt den Titel „I wanted to kill myself, but today is my mother’s birthday“. Vor zwei Jahren brachte er eine Single namens „Popo“auf den Markt. Ich hätte Ihnen gerne einen Originaltext dieses munteren Jünglings vorgestellt, konnte allerdings keinen finden, in dem nicht überdeutlich von Drogen oder diversen zwischenmenschlichen Interaktionen die Rede ist – einem Themenkomplex also, der mir nicht recht in diese Familienkolumne zu passen scheint. Bei der nächsten Reise kommt jedenfalls die Schachtel mit Mozart, Schubert und den Stones als erste ins Reisegepäck.
Sie erreichen den Autor unter: g.hofmann-wellenhof@gmx.at
„Bei der nächsten Reise kommt wieder die Schachtel mit Mozart & Co. ins Reisegepäck.
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