Hilfeschrei einer Gequälten
„Salome“– das zweite Jahr der blühenden Neurosen.
Richard Strauss’ Einakter war der Überraschungscoup der letzten Saison in Salzburg gewesen. Romeo Castellucci hatte auf der Bühne rätselhafte Querverweise zum Bau der Felsenreitschule und zur Entstehungszeit der Oper gezogen. Hinter dem ästhetizistischen Oberflächenglanz gelang ihm aber vor allem das bestürzende Porträt eines missbrauchten, verstörten Mädchens.
Damit lag ein Gutteil des Erfolgs in den Händen von Asmik Grigorian. Die zarte Sängerin, der man weder die Stimmgewalt noch die Brutalität der Rolle zutrauen würde, geht im zweiten Jahr in ihrer Selbstentäußerung noch weiter. Sie flüstert, schreit, spricht und singt sich die Verachtung gegenüber ihrer gewalttätigen Umgebung geradezu aus dem Leib.
Franz Welser Möst, der wieder die Wiener Philharmoniker leitet, ermöglicht ihr höchst ökonomischen Mitteleinsatz. Er dirigiert die opulente Partitur so zart, impressionistisch und feingliedrig, dass die Sänger ihr Material nicht überstrapazieren müssen. Der Zuhörer gewinnt zudem überraschende Einblicke in die Hexenküche des jungen Richard Strauss. Viele Ingredienzien dieser in allen Klangfarben schillernden Oper gehen gewöhnlich im Klangorkan unter.
Auch die anderen Figuren profitieren vom Feinschliff, den Castellucci seinen artifiziell gestikulierenden Figuren abverlangt. Schneidend scharf in Angst und Brutalität der Herodes John Daszaks, keifend und verzweifelt Anna Maria Chiuri, die gealterte Herodias an seiner Seite. Zart und unangestrengt legt Julian Prégardien die Kantilenen des Narraboth über den Klangteppich. Einzig den orgelnden Johanaan Gábor Bretz droht Welser-möst gelegentlich im Klangbad zu ertränken. Erschrockene Stille vor dem Jubel. Thomas Götz „Salome“von Richard Strauss:
28. 8. (20 Uhr), 31. 8., (16 Uhr), Felsenreitschule. Restkarten: Tel. (0662) 8045-500. salzburgerfestspiele.at