Die Wahl der Gründe
Die Steiermark wählt im November. Wie die ÖVP die Vorverlegung begründet, sagt viel über die wirklichen Motive aus. Sie haben mit dem Land wenig, mit der Partei viel zu tun.
Nun ist die Katze aus dem Sack: Die steirische ÖVP wird auch ohne Zustimmung ihres Koalitionspartners SPÖ die Landtagswahl um ein halbes Jahr vorziehen. Der Versuch von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, den „Reformpartner“noch zu überzeugen, ist gescheitert. Gewundert kann ihn das nicht haben.
Ein kurzer Blick auf die Interessenlage genügt, um zu sehen, dass Michael Schickhofer und seine Partei keinerlei Interesse an einem früheren Wahltermin haben können. Ihnen droht, sofern die Umfragen ein realistisches Stimmungsbild zeichnen, ein Verlust der Mehrheit, deren Früchte Franz Voves vor vier Jahren an die ÖVP verschenkt hat. Ein gemeinsames Interesse an der Vorverlegung zu konstruieren, gar einen Vorteil für das Land, ist Schützenhöfer nicht gelungen. Es gibt beide nicht.
Wohl aber lässt sich erkennen, welche Vorzüge der November-termin für den Landeshauptmann und seine Partei mit sich bringt. Der Aufwind nach einem wahrscheinlichen Wahlsieg der Bundes-övp kann Schützenhöfer zweifellos eben
so helfen wie die unklare Lage nach der Nationalratswahl. Im November wird vermutlich noch nicht feststehen, mit wem Kurz ein Regierungsbündnis schließt. Was immer er am Ende entscheidet, wird einen Teil seiner Wähler vergrämen. Die teilen sich in glühende Anhänger einer Neuauflage der türkis-blauen Koalition und in erbitterte Gegner dieser Option. In der Steiermark zu wählen, bevor im Bund Klarheit herrscht, kann also nur von Vorteil für den ÖVP-CHEF sein.
Wie schwach die Begründung Schützenhöfers für den vorgezogenen Termin letztlich ist, geht aus seiner Antwort auf die Frage nach dem Scheidungsgrund hervor. Man habe gut gearbeitet, sagte Schützenhöfer im Interview mit der Kleinen Zeitung. Übereinstimmung fehle lediglich hinsichtlich des Wahltermins. Ein hübscher Widerspruch. Uneinigkeit über den Wahltermin kann es ja nur geben, wenn die Fortsetzung der Koalition zuvor infrage gestellt wurde. Als Begründung für diese Infragestellung fällt dieser Streit also wohl aus.
Auch 2015 habe man vorzeitig die Wähler gefragt, rechtfertigt sich Schützenhöfer weiter. Den Unterschied erwähnt er nicht. Damals waren sich die bedrängten Koalitionspartner einig, gemeinsam die Flucht nach vorne antreten zu wollen. Man verwies auf das gemeinsam Erreichte – damals war das nicht wenig gewesen – und bat um Verlängerung des Auftrags. Die schallende Ohrfeige für beide Parteien wäre später, mitten in der großen Migrationskrise, vermutlich noch viel heftiger ausgefallen. Zum alten Mut fanden die Partner trotzdem nicht mehr zurück. ielleicht wäre es also besser gewesen, diesmal mit offenen Karten zu spielen. Wenn die Motivlage für einen politischen Schritt so durchsichtig ist, wirken gewundene Begründungen immer etwas lahm. Und wer sagt eigentlich, dass Wählerinnen und Wähler ungewohnte Direktheit nicht lohnen?
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