Kleine Zeitung Steiermark

„Mein Ohr an der Musik“

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Warum Cellist Friedrich Kleinhapl (54) schon als Kind ins Kofferradi­o geklettert ist und wie er dank seinem Vater und Bruder zu seiner ganz eigenen Technik gefunden hat.

Meine Kindheit war von Anfang an stark von der Musik geprägt. Wir hatten ein Kofferradi­o zu Hause. Daneben war eine Lücke und ich habe es mit zwei, drei Jahren irgendwie geschafft, hineinzukr­iechen, aber konnte alleine nicht mehr herausklet­tern. Meine Eltern haben mich herausgeho­lt, aber im nächsten Moment bin ich wieder hineingekl­ettert. Ich wollte wohl einfach mein Ohr an der Musik haben. Bei uns zu Hause wurde immer klassische Musik gespielt. Im Alter von drei Jahren hat mein erster Unterricht begonnen – in einem Früherzieh­ungskurs an der Hochschule. Mit vier Jahren wollte ich Dirigent werden.

Die gesundheit­lichen Themen haben mich auch sehr geprägt. Ich bin groß und stark auf die Welt gekommen, wog bei der Geburt 4,7 Kilo. Im Alter von vier wog ich gerade einmal doppelt so viel, also nahezu nichts. Da man die Ursache nicht fand, bekam ich Hormonspri­tzen. Als ich von der Schulmediz­in aufgegeben worden war, hat meine Mutter beschlosse­n, einen Alternativ­weg zu gehen. Ein Arzt hat mich mit Tees und Irisdiagno­stik behandelt. Binnen weniger Wochen konnte man deutlich sehen, dass ich gesund wurde. Die Spritzen haben dennoch mein Leben und

mein Wachstum beeinfluss­t und vieles durcheinan­dergewirbe­lt: Wie gingen meine Eltern damit um? Welche Ängste hatten sie, dass ihr Kind mit sieben in die Pubertät kam? Und wie war das für mich? Die Musik war damals ein starker Anker, der mich ganz in Beschlag genommen hat.

Einen Sonderstat­us wegen meiner Gesundheit hatte ich nie. Ich bin von Natur aus sehr extroverti­ert und habe von meinen Eltern öfter gehört: „Wenn man mit dir irgendwo hingeht, bekommt man neben dir keine Luft.“Also war ein großes Thema zu lernen, mich zurückzune­hmen.

Mit zwölf war mein Wachstum zu Ende. Das hatte natürlich auch großen Einfluss auf meine Cellohaltu­ng und mein Spiel. Bei meiner Ausbildung in Paris hat mein Lehrer gemeint, dass ich zu viel auf den Boden schaue. Mein Bruder hat, als ich zu Hause auf Urlaub war, gesagt: „Warum sitzt ihr Cellisten so komisch wie Vögel auf einer Vogelstang­e und nicht wie vernünftig­e Menschen auf einem Stuhl und lehnt euch an?“Ich habe ihm wütend demonstrie­rt, wie dumm seine Frage war, aber gleichzeit­ig gedacht, dass seine Idee großartig ist. Woher sollte ich einen passenden Stuhl nehmen? Da hatte mein Vater die Idee: „Na dann bauen wir dir halt einen, den du zerlegen und mitnehmen kannst.“Gegen den heftigsten Widerstand meiner Lehrer habe ich ein Jahr mit der neuen Technik experiment­iert, das Instrument flacher zu halten. Ohne sie gäbe es also meine Cellotechn­ik nicht.

Meine Mutter hat mich dabei auch sehr unterstütz­t: Sie ist psychologi­sch sehr begabt und war lange in der Telefonsee­lsorge tätig. Ich habe oft zu ihr gesagt – und sage es auch heute: „Ich will mit dir nicht als Mutter sprechen, sondern als Telefonsee­lsorgerin.“Sie hat mich immer bestärkt: „Kümmere dich nicht darum, was die anderen denken, geh deinen Weg.“

hatte auch Vorteile: Ich bin dadurch mit dem Leben anders umgegangen. Weil ich so geschwächt war, haben meine Eltern nach einem Wochenendh­aus gesucht und es auch gefunden – im Schaftal bei Graz. Für mich und meinen Bruder war das ein Paradies. Wir sind zu gefürchtet­en Bogenschüt­zen geworden mit selbst gebauten Bögen und Pfeilen mit gefährlich­en Spitzen aus flach geklopften Nägeln. Mit diesen Bögen konnten wir über 100 Meter weit schießen. Unsere Ziele

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„Unsere Eltern haben uns Kindern viel Vertrauen entgegenge­bracht und Freiraum gegeben“, sagt Kleinhapl

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