Ein Dreißigjähriger Krieg im 20. Jahrhundert?
Heute vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg: Rückblick auf ein Jahrhundert, das in seiner ersten Hälfte Dutzende Millionen von Opfern forderte. Lassen sich Parallelen zum Dreißigjährigen Krieg ziehen?
Ein Mensch, der vor etwa 120 Jahren in Österreich geboren wurde, musste in seiner ersten Lebenshälfte zwei grausame Weltkriege überstehen. Weder die Generation vor ihm noch seine Enkelkinder mussten ähnlich schlimme Erfahrungen durchlaufen. Die Nachgeborenen, also meine Generation, kennt nur Jahrzehnte des Friedens und der sozialen Sicherheit. Aber auch seine Elterngeneration hatte keine Kriege erlebt. Vielleicht hatte der Großvater in der Schlacht von Königgrätz gekämpft, aber die Eltern hatten zwischen 1867 und 1914 fast ein halbes Jahrhundert in einer Zeit des Friedens leben dürfen.
Der Krieg, der 1914 begann, eröffnete eine Epoche von gut drei Jahrzehnten größter Katastrophen. Der Erste Weltkrieg forderte 10 Millionen Opfer, der Zweite Weltkrieg dann sogar mindestens 60 Millionen. Die Jahre dazwischen, mit den blutigen Bürgerkriegen in Russland und später in Spanien, mit den vielen kleineren blutigen innerstaatlichen Auseinandersetzungen in Europa, forderten ebenfalls Millionen von Blutopfern. Ein Jahrgang 1899 sah also zwischen dem 15. und dem 46. Lebensjahr gut 75 Millionen von Menschen, die auf den Schlachtfeldern und in den Lagern ihr Leben lassen mussten.
Es gibt also gute Gründe dafür, die erste Hälfte des 20. Jahr
hunderts mit der Schreckenszeit aus der Hälfte des 17. Jahrhunderts zu vergleichen. Auch drei Jahrhunderte zuvor kam der Krieg in Wellen, verwüstete halb Europa und forderte unzählige Opfer unter der Zivilbevölkerung. Dennoch: Den Ersten und den Zweiten Weltkrieg als gemeinsame Einheit der Grausamkeit zu sehen, ist nur eine Teilwahrheit.
Die beiden großen Kriege aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts weisen unbestreitbar Gemeinsamkeiten auf. Beide begannen als Kriege eines starken Staates gegen einen deutlich schwächeren Nachbarn, und bei beiden führten Bündnissysteme und Unterstützungsverpflichtungen in ein europaweites, später globales Ringen. Beide Kriege sahen hochgerüstete Armeen und in beiden Kriegen machte die Kriegstechnologie gewaltige Sprünge nach vorne. Und in beiden Kriegen verschob letztlich der Kriegseintritt der USA das Kräfteverhältnis entscheidend.
Dominanter jedoch sind die Unterschiede. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges sah eine breite, wenn auch umfassende Kriegsbegeisterung. Man hatte keine Vorstellung davon, was ein moderner Krieg bedeutet, und man konnte hoffen, zur Erntezeit, also wenige Wochen nach dem 28. Juli, wieder zu Hause zu sein. Der Schock, auf eine ganz neue Form des Kriezu treffen, war dann gewaltig. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war selbst im Deutschen Reich die Euphorie gering, trotz der breiten Unterstützung, die Hitlers Politik in der Bevölkerung hatte. Am 1. September 1939 waren die Gesichter ernst, für viele Soldaten war es die zweite Kriegserfahrung, und trotz der sogenannten „Blitzkriege“wusste man, wie viel Leid ein Krieg bringen konnte.
Hatte im Ersten Weltkrieg kaum ein Soldat einer fremden Armee das Territorium des heutigen Österreichs betreten und nahm man auch im Deutschen Reich die dramatischen Ereignisse an der Front im Hinterland nicht wirklich wahr, wurde nun der Krieg sofort ins Hinterland getragen. Coventry in England wurde fast dem Erdboden gleichgemacht („Coventrieren“bürgerte sich als Begriff für den Bombenkrieg ein) und die Luftschlacht über England zerstörte halb London. Der Krieg in Jugoslawien begann mit einer Bombardierung von Belgrad. Die Zivilbevölkerung zählte also von Anfang an zu den unmittelbaren Opfern des Krieges. Die Luftwaffe hatte an Kriegsbedeutung ganz entscheidend zugelegt.
Bei Kriegsende standen dann Dresden, Hiroshima und Nagasaki als Städte da, an denen exemplarisch diese Art der Kriegsführung ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Umgekehrt war das Leben für die Zivilbevölkerung im Ersten Weltkrieg von bitterer Not gekennzeichnet. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr Entbehrungen bestimmten den Alltag.
Letztlich war es die Heimatfront, also das von den unmittelbaren Kriegsgeschehen kaum betroffene Hinterland, wo sich der Zusammenbruch der Mittelmächte vollzogen hatte. Nicht zuletzt aus dieser Erfahrung hatte man im Zweiten Weltkrieg ein sorgges