Höhere Weihen für den Stoiker aus Wien
Johannes Hahn steigt in Brüssel zum Eu-budgetkommissar auf.
Wenn Politiker über sich selbst sprechen, kann es schon vorkommen, dass sich Eigenwahrnehmung und Fremdeinschätzung nicht decken. In diesem Fall dürften sie aber übereinstimmen. „Man unterschätzt mich, das ist seit Jahrzehnten mein größtes politisches Kapital“, bekannte Johannes Hahn heuer im Februar der „Zeit“.
Das war zu einem Zeitpunkt, da kaum jemand mehr einen müden Cent darauf verwettet hätte, dass der 61-jährige studierte Philosoph, Ex-glücksspielkonzernmanager, ehemalige Wiener ÖVPCHEF und Wissenschaftsminister seinen zwei Brüsseler Amtszeiten eine dritte hinzufügen würde. Zu grau, zu langweilig, zu antithetisch zu der auf Türkis getrimmten neuen KURZ-ÖVP schien der bedächtige Wiener aus einfachen Verhältnissen, den sie daheim bis heute „Gio“rufen. Aber dann kam Ibiza – et voilà, der alte Eu-kommissar ist auch der neue und hat nun sogar das Schlüsselressort Budget über.
Ob der begeisterte Hobbysegler, wie er einmal behauptete, wirklich nie eine Karriere als Minister oder Europapolitiker angestrebt hat, sei dahingestellt. Hahns langes Vorleben in der Partei lässt da auch andere Deutungen zu.
Sicher ist, dass sich hinter der mitunter irritierenden stoischen Gelassenheit, die in jungen Jahren die eine und andere Freundin das Weite suchen ließ (Hahn), ein hochpolitischer Kopf verbirgt. Dass der privat mit der früheren Fpö-chefin und Vizekanzlerin Susanne Riess liierte Hahn bei der Verfolgung seiner Ziele Pragmatik mit Härte zu verbinden weiß, davon kann so mancher reformunwillige Beitrittskandidat am Balkan ein Liedlein singen. Es hat ihm nun wohl den Weg zu höheren Brüsseler Weihen geebnet. Stefan Winkler