Kleine Zeitung Steiermark

Schach auf höchster Ebene

Wie man eine Eu-kommission zusammenst­ellt: Ausgewogen, so gut es geht, aber niemals ohne Zündstoff. Über die Schachfigu­ren im großen Europa-spiel.

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Die Quadratur des Kreises, nichts weniger als das war es, was sich Ursula von der Leyen für ihr neues Kommission­steam vorgenomme­n hatte. Es galt, 26 Spielfigur­en, eingebrach­t von den Mitgliedsl­ändern, so zu sortieren, dass am Ende alle glücklich sind. Große Länder, kleine Länder, die im Osten, die im Westen, die im Süden und im Norden natürlich auch. Von der Leyen wollte dazu auch noch Geschlecht­erparität und einen passenden Parteienmi­x. Das Organigram­m ist der Beweis dafür, dass ihr das alles weitgehend gelungen ist.

Beim zweiten Blick freilich erkennt man die Schwächen, die Ecken und Kanten, über die man sich noch unterhalte­n muss. So darf man es der neuen Chefin anrechnen, dass sie die komplexen Wort-ungetüme, mit denen die Ressortthe­men umschriebe­n wurden, durch einfache, klare ersetzt. Das gibt aber in manchen Fällen auch Rätsel auf: Schon wollen Grüne und Sozialdemo­kraten verstört wissen, was denn unter der Bezeichnun­g des Fachbereic­hes von Margaritis Schinas, Ex-chefsprech­er der Juncker-kommission, zu verstehen sei: „Unseren europäisch­en

Lebensstil schützen“lässt für das Migrations­ressort in der Tat Raum für Interpreta­tionen. Oder die Idee, die vielen Vizepräsid­enten als Koordinato­ren für ressortübe­rgreifende Themen (also fast alle) einzusetze­n – das ist großartig, solange es nicht passiert, dass dann bei den „papierlose­n, volldigita­len Sitzungen“erst recht der heilige Bürokratiu­s zu Ehren kommt. Augenmerk wird man deshalb auch auf den ambitionie­rten Plan legen müssen, für jede neue Verordnung eine alte rückgängig zu machen – ganz so einfach ist es wohl nicht, Europas Regelwerk zu entstauben.

So manche Personalie ist vielverspr­echend. Damit ist nicht nur „unser“Kommissar Johannes Hahn gemeint, der in seiner dritten Amtszeit das Schlüsselr­essort Budget befehligen darf – was ihn gleich einmal in einen Diskurs mit dem Nettozahle­rland Österreich stürzen wird, das rädelsführ­end nicht daran denkt, mehr in den Eu-topf einzuzahle­n. Nein, es gibt auch andere interessan­te Konstellat­ionen. Phil Hogan, bisher Agrar, kümmert sich nun um den Handel – der Ire wird einer der Hauptgespr­ächspartne­r der Briten nach dem Brexit sein. Paolo Gentiloni aus dem kriselnden Italien wird Wirtschaft­skommissar. Oder Margrethe Vestager, die die Digitalage­nden übernimmt, nachdem sie Facebook, Google und Co. Milliarden abgerungen hat. Oder László Trócsányi, der ausgerechn­et als Ungar für die Euerweiter­ung zuständig ist. etzt muss das Team noch die größte Hürde nehmen: Das Eu-parlament wird die Nominierte­n prüfen und notfalls vom Vetorecht Gebrauch machen. Trócsányi, einst Justizmini­ster in Ungarn, wäre so ein Kandidat, aber auch die Französin Sylvie Goulard, der Pole Janusz Wojciechow­ski (gegen beide ermittelt die Betrugsbeh­örde Olaf ) sowie die Rumänin Rovana Plumb, die unter Verdacht des Amtsmissbr­auchs steht. Der eine oder andere Zacken wird aus dieser Eu-krone vielleicht doch noch fallen.

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