Gelähmtes Spanien wählt im November neu
Alle Gespräche des sozialistischen Premiers, um eine neue Regierung auf die Beine zu stellen, sind gescheitert.
Bis zuletzt hofften die Spanier darauf, dass sich ihre heillos zerstrittenen Parteien noch auf eine neue Regierung einigen werden. Doch am Dienstagabend wurden ihre Hoffnungen enttäuscht: Spaniens König Felipe kündigte an, dass die Regierungsbildung endgültig gescheitert sei. Es gebe keinen Kandidaten, der im Parlament auf die nötige Unterstützung zählen kann, erklärte er. Deshalb werde er Anfang kommender Woche, wie in der Verfassung vorgesehen, das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen, die am 10. November stattfinden werden.
Damit erlebt Spanien fünf Monate nach der letzten Neuwahl schon wieder eine – es ist die vierte nationale Wahl in vier Jahren. In einer Krisenrunde mit den Parteichefs hatte Felipe zuvor versucht, die politischen Führer zu Kompromissen zu bewegen – vergeblich.
Die letzte Parlamentswahl Ende April hatten die sozialdemokratisch orientierten Sozialisten von Pedro Sánchez mit 29 Prozent der Stimmen gewonnen. Das war aber nicht genug, um eine Regierung bilden zu können. Alle Gespräche mit anderen Parteien, eine sozialistische Minderheitsregierung zu tolerieren, waren seitdem im Sande verlaufen. Auch eine Koalition mit der linken Partei Unidas Podemos kam wegen Streit über die Verteilung der Ministerposten nicht zustande. Spaniens konservative Parteien lehnten es derweil ab, wenigstens durch Stimmenthaltung den Sozialisten an die Macht zu verhelfen. Sie nehmen es Sánchez übel, dass er im Sommer 2018 per Misstrauensvotum gegen den damaligen konservativen Premier Mariano Rajoy an die Macht gekommen war. Danach regierten die Sozialisten mit einem Minderheitskabinett, das Anfang 2019 am Streit um den Haushalt scheiterte.
Den Wahlumfragen nach sind die Sozialisten im Aufwind. Soziale Reformen wie die Anfang 2019 beschlossene Erhöhung des Mindestlohnes und der Dialog mit der spanischen Konfliktregion Katalonien scheinen sich auszuzahlen. Spaniens größte Tageszeitung „El País“errechnete die Durchschnittswerte aller Erhebungen: Danach kann Sánchez in der Neuwahl mit einem leichten Stimmenzuwachs rechnen und käme auf etwa 32 Prozent.
Aber auch das wäre nicht genug zum Regieren. Sánchez bräuchte wie bisher die Unterstützung von Podemos und wohl von wenigstens einer der Regionalparteien aus dem Baskenland oder Katalonien. Den Erhebungen nach würde es auch nicht helfen, dass der konservative Block aus Volkspartei, der bürgerlich-liberalen Bewegung Ciudadanos und der rechtspopulistischen VOX mit Einbußen rechnen muss.
Es sieht also nicht danach aus, als ob die Neuwahl Spaniens politischen Stillstand beenden wird. Sie könnte die Blockade sogar bis zum Jahr 2020 verlängern. Dieses Szenario weckt zunehmend Sorgen, dass Spanien derzeit unregierbar ist: „Es ist unverantwortlich, dass wir auf eine Neuwahl zusteuern“, sagte Iñaki Gabilondo, einer der prominentesten journalistischen Kommentatoren der Nation. Das werde die politische Instabilität Spaniens nur noch weiter erhöhen. Ralph Schulze, Madrid