Karlau: „Unglücklich ins Messer gefallen“
So erzählt es der Angeklagte. Die Geschworenen entscheiden: Er hat versucht, seinen Zellengenossen zu erstechen.
Das Positivste vorweg: Die Verhandlung kann stattfinden, denn trotz bundesweitem „Aktionstag“der Gerichtsdolmetscher hat sich die Georgisch-dolmetscherin bereit erklärt, zu übersetzen. Das tut sie zum Stundensatz von 25 Euro, der laut Staatsanwalt „ein Hohn“ist und im Übrigen seit 13 Jahren nicht mehr erhöht wurde.
Für den Angeklagten (33), der nach fünf Verurteilungen seit 2014 seinen festen Wohnsitz in österreichischen Haftanstalten hat, geht es um viel. Er soll im November in der Karlau versucht haben, einen Russen mit einem Messer zu erstechen. Der dritte Zellengenosse, auch Georgier, soll dazwischengegangen sein. Ein Notarzt rettete dem Opfer das Leben.
Bei der ersten Einvernahme hat der Angeklagte das alles zugestanden, wenn er auch die Tötungsabsicht bestritt. Der Russe habe seine Freundin, eine Slowakin, mit der er ein Kind hat, übers Handy erpresst. Aber: „Das war eine Lüge“, sagt er. Erst bei der Hauptverhandlung, also jetzt, will er endlich „die ganze Wahrheit“sagen. Und die geht so: Man hat gerangelt, das Brotmesser fiel vom Tisch zu Boden, der Russe stieg auf das Messer, wodurch sich die Klinge rechtwinkelig verbog und sich „nach oben gerichtet“hat. Alle zwei fielen um, der Russe fiel ins Messer und durchstach sich den Magen.
Vorsitzende Barbara Schwarz wirkt nicht überzeugt. Und die Geschworenen wundern sich, wie es Brotmesser mit 21 Zentimeter Klingenlänge und Handys in Zellen geben kann. „Offiziell nicht“, betont die Richterin, „aber es gibt nichts, was es in Haftanstalten nicht gibt.“Die Wachebeamten nicken.
Drei Stunden lang hat der Angeklagte vor der Tat mit seiner Freundin Whatsapp-nachrichten ausgetauscht, aus denen eher hervorgeht, dass sie sich von ihm überwacht und bedrängt fühlte.
Auf Nachfrage des Gerichts stellt sich heraus: Die blonde Frau im Zuschauerraum ist die georgische Ehefrau, mit der er drei Kinder hat und die dem Gericht bisher nicht bekannt war. Sie wusste ihrerseits nichts von der blonden slowakischen Freundin, die draußen wartet. „Spätestens jetzt weiß sie davon“, sagt die Richterin trocken.
Der georgische Zellengenosse und Tatzeuge wird vorgeführt. Der Angeklagte zischt ihm etwas zu. Die Dolmetscherin versteht: „Wir haben gerangelt und sind ins Messer gefallen!“Tatsächlich unterstützt der Zeuge plötzlich diese Version, obwohl er bei seiner ersten Aussage noch von einem heftigen Streit erzählte und wie er den Täter vom Opfer wegziehen musste. Einmal verplappert er sich kurz. „Das ist das Problem mit dem Lügen“, resümiert die Richterin, „man muss es können und durchhalten.“
Die Geschworenen machen sich ihr Bild: schuldig des versuchten Mordes. Der Senat verhängt eine lebenslange Haftstrafe – nicht rechtskräftig.