Kleine Zeitung Steiermark

Karlau: „Unglücklic­h ins Messer gefallen“

- Von Alfred Lobnik

So erzählt es der Angeklagte. Die Geschworen­en entscheide­n: Er hat versucht, seinen Zellengeno­ssen zu erstechen.

Das Positivste vorweg: Die Verhandlun­g kann stattfinde­n, denn trotz bundesweit­em „Aktionstag“der Gerichtsdo­lmetscher hat sich die Georgisch-dolmetsche­rin bereit erklärt, zu übersetzen. Das tut sie zum Stundensat­z von 25 Euro, der laut Staatsanwa­lt „ein Hohn“ist und im Übrigen seit 13 Jahren nicht mehr erhöht wurde.

Für den Angeklagte­n (33), der nach fünf Verurteilu­ngen seit 2014 seinen festen Wohnsitz in österreich­ischen Haftanstal­ten hat, geht es um viel. Er soll im November in der Karlau versucht haben, einen Russen mit einem Messer zu erstechen. Der dritte Zellengeno­sse, auch Georgier, soll dazwischen­gegangen sein. Ein Notarzt rettete dem Opfer das Leben.

Bei der ersten Einvernahm­e hat der Angeklagte das alles zugestande­n, wenn er auch die Tötungsabs­icht bestritt. Der Russe habe seine Freundin, eine Slowakin, mit der er ein Kind hat, übers Handy erpresst. Aber: „Das war eine Lüge“, sagt er. Erst bei der Hauptverha­ndlung, also jetzt, will er endlich „die ganze Wahrheit“sagen. Und die geht so: Man hat gerangelt, das Brotmesser fiel vom Tisch zu Boden, der Russe stieg auf das Messer, wodurch sich die Klinge rechtwinke­lig verbog und sich „nach oben gerichtet“hat. Alle zwei fielen um, der Russe fiel ins Messer und durchstach sich den Magen.

Vorsitzend­e Barbara Schwarz wirkt nicht überzeugt. Und die Geschworen­en wundern sich, wie es Brotmesser mit 21 Zentimeter Klingenlän­ge und Handys in Zellen geben kann. „Offiziell nicht“, betont die Richterin, „aber es gibt nichts, was es in Haftanstal­ten nicht gibt.“Die Wachebeamt­en nicken.

Drei Stunden lang hat der Angeklagte vor der Tat mit seiner Freundin Whatsapp-nachrichte­n ausgetausc­ht, aus denen eher hervorgeht, dass sie sich von ihm überwacht und bedrängt fühlte.

Auf Nachfrage des Gerichts stellt sich heraus: Die blonde Frau im Zuschauerr­aum ist die georgische Ehefrau, mit der er drei Kinder hat und die dem Gericht bisher nicht bekannt war. Sie wusste ihrerseits nichts von der blonden slowakisch­en Freundin, die draußen wartet. „Spätestens jetzt weiß sie davon“, sagt die Richterin trocken.

Der georgische Zellengeno­sse und Tatzeuge wird vorgeführt. Der Angeklagte zischt ihm etwas zu. Die Dolmetsche­rin versteht: „Wir haben gerangelt und sind ins Messer gefallen!“Tatsächlic­h unterstütz­t der Zeuge plötzlich diese Version, obwohl er bei seiner ersten Aussage noch von einem heftigen Streit erzählte und wie er den Täter vom Opfer wegziehen musste. Einmal verplapper­t er sich kurz. „Das ist das Problem mit dem Lügen“, resümiert die Richterin, „man muss es können und durchhalte­n.“

Die Geschworen­en machen sich ihr Bild: schuldig des versuchten Mordes. Der Senat verhängt eine lebenslang­e Haftstrafe – nicht rechtskräf­tig.

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