Kleine Zeitung Steiermark

Zu wenig, zu viel, das Falsche

- Von Thomas Golser

Unzureiche­nde oder schlechte Ernährung bedroht 200 Millionen Kinder nachhaltig: von Hunger auf der einen und Fettleibig­keit auf der anderen Seite.

Der Optimist, er könnte meinen, dass es in einer hoch industrial­isierten, globalisie­rten und miteinande­r vernetzten Welt doch möglich sein müsste, alle Menschen ausreichen­d zu ernähren. Das Gegenteil ist der Fall: Über 820 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. Jedes dritte Kind unter fünf Jahren gilt als durch schlechte und unzureiche­nde Ernährung gefährdet. 200 Millionen Mädchen und Buben in dieser Altersgrup­pe sind betroffen, warnt das Un-kinderhilf­swerk Unicef am heutigen Welternähr­ungstag.

149 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind aufgrund von Mangelernä­hrung unterentwi­ckelt. 50 Millionen unterernäh­rte Kleinkinde­r bringen im Vergleich zu ihrer Größe zu wenig auf die Waage. „Trotz aller technologi­schen, kulturelle­n und sozialen Fortschrit­te in den letzten Jahrzehnte­n haben wir eine grundlegen­de Tatsache aus den Augen verloren: Wenn Kinder schlecht ernährt werden, haben sie ein schlechtes Leben“, fasst Unicef-exekutivdi­rektorin Henrietta Fore zusammen. Millionen von Kindern ernähren sich ungesund, weil sie einfach keine andere Wahl haben – davon betroffen sind erwartungs­gemäß vor allem Kinder und Jugendlich­e der ärmsten und am massivsten benachteil­igten Gemeinscha­ften.

Das Problem ist auch aus einem anderen Blickwinke­l zu betrachten, wie man bei der Albert-schweitzer­stiftung für unsere Mitwelt in Berlin im Interview betont: Die globale Produktion von 324 Millionen Tonnen Fleisch (aktuellste­r verfügbare­r Wert von 2017) steht in Konkurrenz zur Ernährungs­sicherheit. Wie kann das sein? Bereits 35 Prozent der weltweiten Getreideer­nte werden für die Tierfütter­ung eingesetzt, Tendenz steigend, hinzu kommen bis zu 75 Prozent der Sojaernte. Pflanzlich­e Ressourcen, die zur Fleischpro­duktion eingesetzt werden, fehlen an anderer Stelle. Von den global nutzbaren 1,4 Milliarden Hektar Ackerfläch­e dient ein Drittel dem Futtermitt­elanbau. Des Menschen Heißhunger auf Billigflei­sch lässt ihn an anderer Stelle hungern oder das Falsche essen. Auch klimabedin­gte Naturkatas­trophen führen zu Ernährungs­krisen: Dürren sind für 80 Prozent der Verluste in der Landwirtsc­haft verantwort­lich und in weiterer Folge für Versorgung­snot.

Es gibt zwei Pole: Mangelund Unterernäh­rte, vor allem in Afrika und Südasien. Zum anderen gelten 40 Millionen Kinder unter fünf Jahren durch falsches Essverhalt­en als übergewich­tig oder fettleibig, die meisten in Industries­taaten. Im Vergleich zu 1975 sind heute zehn Mal so viele Mädchen und zwölf Mal so viele Buben übergewich­tig. Gründe: industriel­l stark verarbeite­te Lebensmitt­el, also diverse Fertiggeri­chte, Fast Food sowie mit Zucker verseuchte Getränke.

Sprechen wir am Welternähr­ungstag nicht zuletzt auch vom Verschwend­en von Nahrungsmi­tteln: „Es ist inakzeptab­el, dass der Hunger ansteigt in einer Zeit, in der mehr als eine Milliarde Tonnen Lebensmitt­el jedes Jahr weltweit verschwend­et werden“, mahnt Un-generalsek­retär António Guterres. Die europäisch­e Kommission schätzt, dass in der EU pro Person und Jahr 173 Kilogramm Lebensmitt­el weggeworfe­n werden – das ergibt 88 Millionen Tonnen jährlich. Wie hungrig sind wir darauf, das zu ändern?

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AFP Hunger – vor allem in Afrika ein alltäglich­er Begleiter

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