Ein Abgesang auf die Zivilisation
Die letzte Arbeit des Grazers Martin Roth ist eine Hommage an die Anpassungsfähigkeit der Natur.
Es könnte fast idyllisch sein, vorausgesetzt man hat die Augen geschlossen: Munteres Vogelgezwitscher schallt aus den Lautsprecherboxen, und ein eben erst eingetretener Besucher schürzt reflexartig die Lippen und pfeift den Gesang eifrig nach. Das ist nicht ganz frei von Ironie, da die Installation im Kunstraum des Kunst Hauses Wien folgenden Titel trägt: „In October 2019 I listened to animals imitating humans“.
Eben jenen Besucher eingerechnet, ergibt das einen sehr schrägen Kreislauf: Vögel, die Geräusche wie das Klingeln eines Telefons oder Autolärm imitieren, und ein Mensch, der den Vogel imitiert, der zuvor Menschliches imitiert hat. Dabei hat der Mensch in dieser raumfüllenden Installation gar nichts zu lachen: Bauschutt türmt sich auf, dazwischen Ziegel, Sand, Plastik, Pappbecher. Drähte sind skeletthaft verkeilt, der abgeschlagene Arm einer Skulptur ragt dramatisch heraus, fast so, als würde sie noch nach dem letzten Rettungsanker greifen.
Es schaut nach Dystopie aus: Was bleibt vom Menschen übrig? Die lächerlichen Denkmäler, die er sich nach seinem Ebenbild geschaffen hat? Wohl kaum, denn wer genau schaut, erkennt, dass zwischen den zerbröselnden Gliedmaßen jemand anderes die Oberhand gewonnen hat: die Natur. Da wie dort erobern sich zarte Pflänzchen lautlos, ganz ohne Siegesgebrüll den Raum zurück.
Der Künstler Martin Roth, 1977 in Graz geboren, verstarb im Juni unerwartet in seiner Wahlheimat New York. Seine letzte Arbeit ist eine Hommage an die Anpassungsfähigkeit und Expansionskraft der Natur. Aber sich deshalb gleich ein Denkmal setzen? Nein, da pfeift die Natur drauf. Susanne Rakowitz Martin Roth. „In october 2019 I listened to animals imitating humans“, bis 12. 1. 2020, Kunst Haus Wien. kunsthauswien.com Martin Roth (1977–2019)