Die Juden in Graz und ihre Sorgen
Heute lädt die Jüdische Gemeinde zur Veranstaltung im Gedenken an die Reichspogrome 1938. Die Stimmung im Vorfeld ist belastet.
Der Antisemitismus in Europa ist im Aufwind. Es gibt mehr Vorfälle als je nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagt Elie Rosen, Leiter der Jüdischen Gemeinde in Graz. Vom 9. auf 10. November jährt sich die Reichspogromnacht, in der europaweit Hunderte Juden getötet wurden und die Synagoge in Graz von Anhängern des Nationalsozialismus in Brand gesteckt wurde, zum 81. Mal. Im Vorfeld dieses bedrückenden Jahrestages machten Rosen und seine Unterstützer sorgenvoll auf eine äußerst judenfeindliche Entwicklung aufmerksam.
Demnach wurden im „Forum gegen Antisemitismus“im Jahr 2018 österreichweit rund 550 Fälle dokumentiert – von Schmähungen im Internet über Beschimpfungen auf der Straße bis zu tätlichen Angriffen gegen Juden. Auch Sachbeschädigungen wurden gemeldet. „In der Steiermark“, so schätzt Elie Rosen, „gibt es rund 25 antisemitische Vorfälle im Jahr.“
Angezeigt wurde nur ein Teil der Vorfälle. Die Polizei verweist auf den Bericht des Verfassungsschutzes. So wurden bei den Sicherheitsbehörden in ganz Österreich 49 explizit antisemitische Taten angezeigt. Vier Personen wurden 2018 bei Übergriffen verletzt.
Im Hinterkopf haben Rosen und die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde auch das rechtsextreme Attentat im deutschen Halle an der Saale: Eine verschlossene Tür verhinderte ein Blutbad in der Synagoge, zwei Personen wurden außerhalb des Gotteshauses getötet.
Dementsprechend hoch sind auch die Sicherheitsvorkehrungen in Graz. Polizeibeamte und private Sicherheitskräfte sind im Einsatz. „Wir werden vielfach als übersensibel bezeichnet. Aber wir haben die Mitglieder und die Besucher zu schützen“, erklärt Rosen. Rund 25 Prozent des Gemeindeetats würden für Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben. Jüdisches Leben nur noch im Hochsicher
heitstrakt? „Das können nicht akzeptieren.“
Die Jüdische Gemeinschaft ortet aber auch geistige Brandstiftung – etwa durch das Auftauchen von Burschenschafterliederbüchern mit unsäglichen Texten. Rosen und seine Kollegen hoffen auf Solidarität in der Gesellschaft. Die politische Bildung müsse verbessert, die Erinnerungskultur verstärkt werden. Zudem müsse der Staat seine Bürger besser schützen.
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Elie Rosen sendet noch ein weiteres Warnsignal aus: Sechs jüdische Gemeinden gibt es in Österreich, die größte ist jene in Wien mit rund 7500 Mitgliedern. Nur rund 130 Personen gehören der Gemeinde in Graz an. „Wir müssen uns eine Überlebensstrategie zurechtlegen. Die kleinen jüdischen Gemeinden außerhalb von Wien werden nicht überleben, wenn nicht so wie in Deutschland der Zuzug gefördert wird.“
Dennoch: „Man darf nicht nur das Negative sehen“, betonen Rosen und auch Otto Hochreiter, Präsident des Vereins „Gesellschaft der Freunde der Jüdischen Gemeinde Graz“.
Heute findet in der Synagoge eine Gedenkfeier mit dem Wiener Klezmer Orchester statt. Die Künstler Oskar Stocker und Luis Rivera präsentieren dabei im Hof ihre aus zwölf alten Synagogentüren bestehende Installation.