Kleine Zeitung Steiermark

Im Ildefonso-land

Wenn schon ein Staat Casinos betreibt, dann hätten dort Vizekanzle­r, Finanzmini­ster und Aufsichtsr­atschef die Interessen der Republik zu wahren. Sie wahrten die der Partei.

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Die Postenscha­cher-affäre rund um die Casinos Austria gerät für die schwarzgrü­nen Verhandler zum ersten Stresstest. Werner Kogler muss sich in Zurückhalt­ung üben, wo ihm sein Naturell eigentlich eine harte Kante befiehlt. Das hört sich dann so an: „Natürlich sind wir an einer Aufklärung interessie­rt.“Noch vor Kurzem hätte sich Kogler als deren Speerspitz­e empfunden. Allzu oft wird sich der Spagat unfallfrei nicht wiederhole­n lassen.

Sebastian Kurz seinerseit­s ist bemüht, die Aufregung als „Wahlkampf “abzutun: eine untauglich­e Beschwicht­igung. Allein die ruchbar gewordenen Mitteilung­en zwischen den Beteiligte­n, die vor dem Wort „Deal“nicht einmal selbst zurückschr­eckten, offenbaren ein übles Sittenbild und geben schlimmste­n Mutmaßunge­n Nahrung und Substanz.

Ein blauer, kommunaler Jungspund wird mit politische­m Pressing und desaströse­r Beurteilun­g zum Finanzvors­tand eines teilstaatl­ichen Konzerns befördert. Als mutmaßlich­es Gegengesch­äft stellt die FPÖ der Novomatic, dem Miteigentü­mer der Casinos, Lizenzen in

Aussicht. Es geht also im Kern um den Verdacht der Käuflichke­it von Politik. Ob ein strafrecht­liches Delikt wie Untreue oder Amtsmissbr­auch vorliegt, hat das Gericht zu klären. Ob der Fall ein Kriminalfa­ll ist, ist wesentlich für die Verstrickt­en, aber nicht für die Einordnung. Fest steht, dass die Affäre Hochverrat an den Bürgern ist und das brüchige Vertrauen in die Politik weiter untergräbt.

An der Oberfläche knüpft der Skandal an die Proporz-praxis vergangene­r Tage an, an das Ildefonso-prinzip, wie es etwa im ORF zur Anwendung kam. (Rot-schwarz-rot-schwarz). Die Unsitte durchdrang als Brauchtum die Republik. Es spannte sich von staatliche­n Betrieben bis zu den Sportverbä­nden und Autofahrer­klubs, von den Cockpits der AUA bis zu den Schulen, wo Junglehrer von der Gewerkscha­ft mit dem Gruß empfangen wurden: „Pass ma zamm?“So lernte man im Land das Erwachsenw­erden. nd doch reicht der Skandal über alte Gepflogenh­eiten hinaus. Mangelnde Eignung plus übel riechender Abtausch, das ist neu. Die Affäre diskrediti­ert nicht nur die FPÖ, die den Proporz seit jeher brandmarkt­e und ihn jetzt, an der Macht, auf die Spitze trieb. Der Fall wirft auch einen Schatten auf die türkis-blaue Regierung und die Verheißung, eine „neue Politik“zu verkörpern. Bei den Besetzunge­n ließ der junge Kanzler Uraltpolit­ik zu.

Der schwarze Finanzmini­ster funkte hinüber zum schwarzen Vorsitzend­en des Aufsichtsr­ates, dass die blaue Besetzung als „Muss“zu behandeln sei. Muss mit wessen Duldung? Der Chefreviso­r, dekorierte­r Herr über das Giebelkreu­z, steht nicht auf und lässt die Sauerei auf der Stelle platzen, sondern fügt sich soldatisch. Wenn es so war, wie der Verdacht es nahelegt, verwechsel­ten beide die Interessen des Eigentümer­s, der Republik, mit den Interessen der Partei. Das ist ein Vorwurf, der anderswo sofortige Konsequenz­en nach sich zöge. Hier ist die Verwechslu­ng Realverfas­sung.

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