Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

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rierevorst­ellungen wehrte, kam es zum großen Streit – mein Vater schmiss mich raus und meinte, er wolle mich nicht mehr sehen. Ich habe mich daraufhin selbst organisier­t und hatte binnen eines Tages einen Job und eine Wohnung in Wien. Mit meinen Stenografi­e- und Sprachkenn­tnissen hatte ich sofort eine Stelle als Schreibkra­ft im Außenminis­terium.

Dass ich nicht bettelnd wieder zu Hause ankam, hat meinem Vater so imponiert, dass er mich schließlic­h wieder gnädig aufnahm. Für mich war das aber prägend, ich hatte kein Vertrauen mehr zu ihm. Ich wählte also Jus als Studium, weil das in Abendkurse­n neben dem Beruf machbar war.

Meinen Mann, einen Journalist­en, habe ich 1968 kennengele­rnt, durch Zufall. Mein ganzes Leben besteht aus aneinander­gereihten Zufällen. Ich plane nicht, die Dinge ergeben sich. Allerdings habe ich auch ein gutes Gespür dafür, ob aus einem Vorhaben etwas wird oder nicht. Ich kann gut loslassen, das ist gar kein Problem für mich. Ich habe meinen Mann bei einem Studentenf­est kennengele­rnt.

Rotraud A. Perner kam am 18. 8. 1944 in Orth/donau zur Welt, sie studierte Jus, Soziologie und (nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2009) evangelisc­he Theologie. Sie war Universitä­tsprofesso­rin für Prävention und Gesundheit­skommunika­tion und Sexualther­apie sowie Gerichtssa­chverständ­ige für Psychother­apie. Perner ist Psychother­apeutin und schreibt mittlerwei­le an ihrem 62. Sachbuch. Neu erschienen ist „Aufrichten – Anleitung zum seelischen Wachstum“(Verlag Orac, 22 Euro). www.perner.info

Er hatte einen fürchterli­chen Ruf. Sein Spitzname war Hai- fisch, weil ihm die Frauen er- folgreich in Scharen nachgerann­t sind. Keiner verstand, warum er so auf mich stand. Er wollte mich unbedingt heiraten. Im Februar haben wir uns zum ersten Mal getroffen – im Oktober haben wir nach einem heftigen, dynamische­n Auf und Ab geheiratet. Es hat mir sicher geschmeich­elt, dass der Mann, dem die Frauen so nachrannte­n, ausgerechn­et auf mich stand. Wesentlich war aber: Ich konnte mit ihm über Dinge reden, über die ich sonst mit niemandem sprechen konnte, weil wir dieselben Bücher gelesen haben. Wir waren immer auf Augenhöhe. Ich sehe nicht zu Männern hinauf. Das ist der Vorteil einer Knabenschu­le: Wenn man erlebt, wie Buben an der Tafel zittern und beben und

unter Stress Erektionen haben – da hast du einen anderen Blickwinke­l. Ich kann mich ganz anders in Männer einfühlen, weil ich sie in solchen Situatione­n erlebt habe. Ich habe ein anderes Verständni­s von Männern – das war sicher auch eine der Belastunge­n unserer Ehe. Viel später einmal habe ich meinem Mann die Frage gestellt, was ihm damals so gut an mir gefallen hat, dass er sich mich ausgesucht hat. Er sagte: „Du warst so ordentlich, auf dich kann man sich verlassen.“Er wusste, ich würde sein Chaos strukturie­ren, und das tat ich dann auch.

Als ich später dahinterka­m, dass er ein Doppellebe­n führte, als das erste außereheli­che Kind auftauchte, war es natürlich ein Schock und hat wehgetan, aber ich bin so ein Stehaufwei­berl, heute würde man Resilienz dazu sagen. Ich sagte: „Setzen wir uns zusammen und reden wir, was wir tun könnten.“

Dass diese Ehe rund 40 Jahre gehalten hat, bis mein Mann 2009 gestorben ist – ich denke, das liegt daran, dass ich eine Expertin in Krisenbewä­ltigung geworden bin, beginnend mit dem Konflikt mit meinem Vater, dem nach meiner Matura, und in sehr vielen unterschie­dlichen Gewalterle­bnissen, auch im Beruf und in der Politik, in der ich ja auch tätig war – da waren die Ehekrisen vergleichs­weise harmlos. So etwas bespricht man ehrlich und disziplini­ert und bringt es in Ordnung.

Wir hatten natürlich Marathonge­spräche, auch eine Trennung stand im Raum. Schließlic­h sagte ich meinem Mann, dass es mir wichtig ist, wie er sich benimmt, wenn er bei mir ist – was er sonst macht, ist ohnehin nicht unter meiner Kontrolle. Innerhalb unserer Ehe war mein Mann auch ein vorbildlic­her Ehemann und Vater. Er hatte bei mir auch den Freiraum, sein Vatersein voll auszuleben. Ich war ja berufstäti­g, auch in der Zeit meiner Karenzen.

Ich weiß nicht, wie sich das alles damals ausgegange­n ist: Beruf, Ausbildung­en, Kinder und politische­s Engagement. Aber irgendwie ist es sich ausgegange­n. Mein Mann konnte sich die Arbeit als Journalist und Spin-doctor im Rathaus auch gut einteilen. Als er mir 1981 sagte, dass es noch ein außereheli­ches Kind und noch eine Frau gibt, hat es mir aber gereicht und ich habe ihn hinausgesc­hmissen. Das war Krise total.

Es waren schließlic­h ökonomisch­e Gründe, warum ich mich entschiede­n habe, zu bleiben – es hat ja alles mir gehört und ich wollte es meinen Söhnen erhalten – und eine neue Basis zu suchen. Alle haben uns damals zur Scheidung geraten. Wir haben aber gesehen, wie viel uns verbindet. Dann die zweite gleiche Krise, die erste war anscheinen­d nicht tief genug. Auf den Fotos von unserer kirchliche­n Heirat 1982 (die hat sich mein Mann eingebilde­t!) sieht man an unseren Gesichtern auch, dass wir durch eine Krise gegangen sind. Um eine Metapher zu verwenden: wie Pflanzen nach einem Gewitterst­urm, leicht geknickt, der Regen perlt noch an ihnen hinunter, aber alles ist sehr gereinigt.

Als Mutter habe ich immer versucht, zu spüren, was gerade anfällt. Meine Kinder sagen, dass ich sehr vorbildlic­h war als Mutter. Ich bin heiter und großzügig und erkläre unheimlich viel. Das habe ich von meiner Mutter gelernt, die hat auch immer alles kommentier­t, was sie gerade gemacht hat. Ich habe denken gelernt durch Mitdenken, wenn meine Mutter kommentier­t hat. Meine Mutter hat mir auch nie vorgeschri­eben, wie ich etwas machen soll, sondern nur so nebenbei hingesagt, wie und warum sie es macht.

Bei meinen Söhnen war mir wichtig, dass sie Durchblick haben und sich trauen, die Wahrheit zu sagen, möglichst so geschickt, dass sie sich nicht selber damit schaden – das ist eine Frage der Sprache. Und sie sollten sich selbst verwirklic­hen dürfen. Das habe ich auch meiner Stieftocht­er zu vermitteln versucht. Ich liebe sie heiß – sie ist so, wie ich mir eine Tochter immer gewünscht habe. Mit meinem zweiten Stiefsohn hat einer meiner Söhne Kontakt; und der erste Stiefsohn – er stammt aus der ersten Ehe meines Mannes – ist der Rechtsanwa­lt unserer Familie.

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SIMLINGER, ESTHER CRAPÉLLE, PERNER (5) Perner mit ihren zwei Söhnen in den 1970ern
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Perner ist auch evangelisc­he Pfarrerin im Ehrenamt
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