Kleine Zeitung Steiermark

Richter kippenneue Sozialhilf­e

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Der Verfassung­sgerichtsh­of hebt den Kern der türkis-blauen Mindestsic­herungsref­orm auf.

Die Reform der Mindestsic­herung zulasten von Zuwanderer­n und Mehrkindfa­milien war eines der zentralen Projekte der türkis-blauen Koalition – jetzt hat es der Verfassung­sgerichtsh­of in wesentlich­en Teilen gekippt.

Drei Kernelemen­te der Reform, die den Ländern vorschreib­t, wie viel die Sozialhilf­e betragen darf, widersprec­hen einem gestern verkündete­n Erkenntnis zufolge der Verfassung: die mit jedem Kind geringer ausfallend­en Maximalbet­räge; die Kürzung der Sozialhilf­e bei mangelnden Deutschode­r Englischke­nntnissen; und die Übermittlu­ng persönlich­er Daten der Sozialhilf­e-bezieher an das Sozialmini­sterium.

Konkret bemängelt der Verfassung­sgerichtsh­of, dass die Höchstsätz­e für Kinder zu gering bemessen sind – aktuell 221 Euro oder 25 Prozent des Basisbetra­gs eines Erwachsene­n (885 Euro) für das erste Kind, 132 Euro/15 Prozent für das zweite und nur noch 44 Euro/fünf Probarkeit zent für das dritte und jedes weitere Kind. „Es kann dazu kommen, dass der notwendige Lebensunte­rhalt bei Mehrkindfa­milien nicht mehr gewährleis­tet ist“, so die Verfassung­srichter – das sei unsachlich und verstoße gegen das verfassung­smäßig garantiert­e Recht auf Wahrung des Kindeswohl­s.

Auch dass mehr als ein Drittel der Mindestsic­herung bei mangelnden Deutsch- oder Englischke­nntnissen einbehalte­n wird und stattdesse­n ein Deutschkur­s absolviert werden soll – der „Arbeitsqua­lifizierun­gsbonus“–, hält nicht vor dem Verfassung­sgerichtsh­of: Einerseits, „weil keine Gründe ersichtlic­h sind, weshalb ausschließ­lich bei Deutsch- und Englischke­nntnissen auf diesem hohen Niveau eine Vermittel

am Arbeitsmar­kt anzunehmen sein soll“– das sei unsachlich; zum anderen würden durch diese Voraussetz­ung gezielt Unionsbürg­er und Asylberech­tigte schlechter gestellt.

Besonders Letztere „haben ihr Herkunftsl­and nicht aus freiem Entschluss verlassen und ihren Wohnsitz in Österreich nicht frei gewählt“– daher sei nicht erkennbar, „inwiefern der Arbeitsqua­lifizierun­gsbonus eine geeignete Maßnahme zur Erreichung des Ziels – Dämpfung der Zuwanderun­g in das österreich­ische Sozialsyst­em“sei.

Zuletzt ist auch die Anordnung verfassung­swidrig, „sämtliche Behörden“hätten Daten zu Sozialhilf­e-beziehern zu übermittel­n. Das sei zu unbestimmt – und verstößt somit gegen das Recht auf Datenschut­z.

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