Rechtsanwälte beklagen „gravierende Missstände“
„Fundamentale Grundsätze des Rechtsstaates werden mit Füßen getreten“, Afghanen seien aktuell gefährdet.
Fehlende Ressourcen für die Justiz, überhastete Gesetzgebung und die Nicht-einhaltung von Grundrechten. Der Wahrnehmungsbericht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) fällt heuer wenig positiv aus. Vor allem im Asylbereich gebe es „gravierende Missstände“, betont Präsident Rupert Wolff. Immer wieder werde Akteneinsicht beschränkt und das Erteilen von Auskünften an Anwälte untersagt. „Hier werden fundamentale Grundsätze des Rechtsstaates mit Füßen getreten.“Vizepräsident Bernhard Fink berichtet von einem Fall einer Anwältin, die an einer Vernehmung ihres Man- danten – einem Afgha- nen – nicht teilnehmen durfte. Die Begründung: Es komme afghanisches Recht zur Anwendung. Zudem beobachte man eine Welle willkürlich eingeleiteter Verfahren zur Aberkennung subsidiären Schutzes, vor allem bei Antragstellern aus Afghanistan.
Beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl orte man „mangelnde Entscheidungsqualität“, erklärt Fink. Dies zeige auch der hohe Anteil an aufgehobenen Asylbescheiden. „Novellierungswut“der Politik im Fremdenrecht tue ihr
Übriges, 24 Novellen habe es hier seit 2005 gegeben. Kein gutes Haar lässt man an der neuen Bundesbetreuungsagentur, die dem Innenministerium untersteht und ab Mitte 2020 die Rechtsberatung von Asylwerbern übernehmen soll. Die neue Regierung müsse evaluieren, ob dies Sinn mache – „wir wissen, dass das nicht der Fall ist“, erklärt Fink.
Die ÖRAK übt in ihrem Bericht auch Kritik an zu kurzen Begutachtungsfristen für Gesetze. Die empfohlene Zeitspanne von sechs Wochen sei in 61 Prozent der Fälle nicht eingehalten worden, beklagt Wolff. Er appelliert an Alexander Van der Bellen. „Herr Bundespräsident, wenn Begutachtungsfristen nicht eingehalten wurden: Unterschreiben Sie das Gesetz nicht.“
Christina Traar